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BERICHT/073: Wohnstube Meer - verletzt man nicht ... (SB)


"Ein anderes Meer ist möglich!"

Einführungsbericht zur Konferenz "über die Grenzen des Blauen Wachstums und die Zukunft der Meere" eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses vom 15. - 17. Mai 2014 im Konsul-Hackfeld-Haus in Bremen



Wenn man bedenkt, daß das Leben im Meer entstand und der Mensch zu über 70 Prozent aus Wasser besteht, er mithin nach wenigen Tagen ohne Wasserzufuhr verdursten würde, hat es etwas grob Fahrlässiges, wie gegenwärtig mit den Meeren umgegangen wird. Bedenkt man darüber hinaus, daß der Mensch ohne den atmosphärischen Sauerstoff, der zu mehr als 50 Prozent durch das Phytoplankton aus dem Meerwasser abgespalten wird, nicht leben kann, muß man der menschlichen Art schon eine Neigung zur Selbstzerstörung attestieren. Die Ozeane werden inzwischen als gigantische Auffangbecken für Plastikmüll, radioaktive Substanzen und Nitrate aus der Landwirtschaft verwendet; sie versauern als Folge des Anstiegs der Treibhausgasemissionen, erwärmen sich aufgrund des Klimawandels und lassen vielerorts tote, das heißt sauerstoffarme Zonen entstehen. Außerdem verzeichnen sie einen rapiden Artenschwund - um eine kleine Auswahl an Schadensentwicklungen zu nennen, die daran beteiligt sind, daß der Mensch die eigenen Überlebensvoraussetzungen wie auch die anderer Arten zunichte macht.

Luftaufnahme eines riesigen, gelben Ölteppichs auf dem Meer - Foto: US Navy, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

Ein Ölteppich von der Havarie der Ölplattform Deepwater Horizon nähert sich der Küste von Mobile, US-Bundesstaat Alabama, 6. Mai 2010.
Foto: US Navy, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

Thematisch aufgegriffen wurden viele der Probleme, die sich aus der Meeresnutzung ergeben, auf dem von einem breiten Bündnis aus 20 NGOs veranstalteten dreitägigen "Gegengipfel" im zeitlichen und räumlichen Vorfeld des offiziellen Europäischen Tags des Meeres 2014, der am 19. und 20. Mai in Bremen stattfand und auf dem das EU-Konzept des "Blue growth", des Blauen Wachstums, abgefeiert wurde. Die EU-Kommission läßt wenig Raum für Zweifel, daß bei diesem Konzept wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, heißt es doch auf ihrer Internetseite: "Meere und Ozeane sind Motoren für die europäische Wirtschaft und verfügen über ein großes Innovations- und Wachstumspotenzial." [1]

"Ein anderes Meer ist möglich!" überschrieb dagegen das zivilgesellschaftliche Bündnis von Fair Oceans, Brot für die Welt und vielen mehr [2] das rundum informative und von dem großen Engagement des Organisationsteams ebenso wie dem der Teilnehmenden getragene Treffen im Konsul-Hackfeld-Haus in der Bremer Innenstadt. Mit dem Untertitel "Über die Grenzen des Blauen Wachstums und die Zukunft der Meere" hat man sich deutlich sowohl gegenüber der nicht nachhaltigen Ausbeutung der Meere in Form des Fischfangs, der Einleitung von Schadstoffen und des Abbaus mineralischer Rohstoffe vom Meeresboden als auch gegenüber der Ausbeutung der für diese Tätigkeiten erforderlichen menschlichen Arbeitskraft gewandt.

Gruppenbild vor den Plakaten von Brot für die Welt und Fair Oceans - Foto: © 2014 by Schattenblick

Die Hauptveranstalter der Konferenz, Francisco Mari (Brot für die Welt, zweiter von links) und Kai Kaschinski (Fair Oceans, dritter von links), mit einigen Referentinnen. Von links nach rechts: Antje Willnow (LNG Europe), Sarah Zierul (Dokumentarfilmerin), Rosa Koian (Bismarck Ramu Group), Maureen Penjueli (Pacific Network on Globalisation), Lisa Rave (Videokünstlerin), Anna-Katharina Wöbse (Umwelthistorikerin)
Foto: © 2014 by Schattenblick

Eigentlich haben die Landlebewesen das Meer nie verlassen, sondern es mit sich genommen, um auf dem Trockenen zu überleben. Selbst wir Menschen als die sehr fernen Nachfahren der ersten, einzelligen Pflanzenexistenzen, die womöglich jahrmillionenlang immer wieder von den Gezeiten aufs Land gespült und anschließend von der Sonne ausgetrocknet wurden, bis sie es geschafft hatten, in der für sie feindlichen Umgebung zu überleben, schleppen gewissermaßen das Meer in uns und mit uns herum. Die Haut erfüllt dabei quasi die Funktion eines biologischen, semipermeablen Überlebensanzugs, der pro Tag rund einen halben Liter des salzhaltigen Wasser abdunstet, sofern nicht größere Anstrengungen geleistet werden müssen. Aber nach etwa drei bis vier Tagen, in Ausnahmefällen auch etwas länger, wird ein Mensch verdursten, wenn er nicht Wasser in diesen "Überlebensanzug" nachkippt. Würde er zudem versäumen, dem Wasser Salz hinzuzufügen, also quasi in sich wieder Meerwasser zu erzeugen, was in der Regel automatisch über die aufgenommene Nahrung geschieht, wäre auch das auf Dauer sein Tod.

In grauer Vorzeit hätten die Pflanzen aber wahrscheinlich gar nicht vom Meer an Land gehen und dort überleben können, wenn ihnen nicht Symbiosepartner aus dem Reich der Pilze zur Seite gestanden hätten, schließen Forscher aus der Untersuchung von Fossilien der ersten Landpflanzen. [3]

Für die heutigen Menschen stellen Pilze auf der Haut oder im Körper eine Plage, wenn nicht sogar eine ernstzunehmende Gefahr dar, doch ohne das evolutionär entstandene Überlebenskonzept der Symbiose, das zumindest Pflanzen und Pilze existentiell aneinander bindet, würde ein Mensch ebenfalls nicht überleben. Seine Symbiosepartner sind die Bakterien, die ihm unter anderem die Nahrung aufspalten und zur Resorption verfügbar machen. Aber was heißt schon "ihm" angesichts dessen, daß ein Mensch aus einem artenreichen Biotop mit "988 Spinnentieren, 100.000.000.000.000 (in Worten: hundert Billionen) Bakterien, 1 Mensch, etwa 70 Amöben und manchmal bis zu 500 Madenwürmern" besteht? [4]

Das Menschenbild vom einzelnen, autonom handelnden, eindeutig gegenüber seiner Umwelt abzugrenzenden Wesen wird sogar von der Wissenschaft zunehmend in Frage gestellt. Offenbar haben die Menschen viel mehr mit ihrer evolutionären Herkunft, anderen Lebewesen und auch dem Meer zu tun, als ihnen normalerweise gewahr ist, und die Aussage, daß zumindest der wässrige menschliche Anteil eines Tages wieder ins Meer zurückfließt, wäre gar nicht einmal religiös zu verstehen, sondern mit dem naturwissenschaftlichen Denken in Stoffkreisläufen vereinbar.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Erklärung der Referentin Rosa Koian von Papua-Neuguinea, die sich bemühte, ihre entschieden ablehnende Haltung gegenüber der zivilisatorischen Entwicklung, insbesondere aber gegenüber dem geplanten Meeresbodenbergbau vor der Küste des Landes in der Bismarck-See, einem vorwiegend dem westlichen Kulturkreis entstammenden und von dessen Denkschablonen geprägten Publikum nahezubringen, gar nicht so befremdlich. Frau Koian berichtete, ihr Volk habe ein anderes, spirituelles Verhältnis zum Meer. Wenn jemand krank sei, gehe er ins Meer und würde dadurch geheilt, erklärte sie. Ihr Volk benötige die Rohstoffe nicht, aus denen dann technische Geräte hergestellt werden, und käme somit ganz gut ohne diese "Entwicklung" aus.

Auf dem Podium bei ihrem Vortrag am 16. Mai 2014 - Foto: © 2014 by Schattenblick

"Wir wollen nicht, daß Papua-Neuguinea zum Testgebiet für Tiefseebergbau wird." (Rosa Koian, Bismarck Ramu Group, Papua-Neuguinea)
Foto: © 2014 by Schattenblick

Welche offenbar hohen Hürden noch im Wege stehen, bevor selbst jene, die einen besseren Schutz der Meere im Prinzip gutheißen, die Option, daß nicht nur "ein anderes Meer", sondern "ein anderer Umgang mit dem Meer" möglich erscheint, als zumindest prüfenswert bestehen lassen, zeigt ein Bericht der taz über die Bremer Veranstaltung. Darin heißt es:

"Rosa Koian aus Papua-Neuguinea berichtet von ihrer 'spirituellen Verbindung' mit dem Meer. Vor ihrer Küste sucht die kanadische Bergbaufirma Nautilus Minerals unter Wasser nach Mineralien - mit unabsehbaren Folgen für die Ökosysteme. Dass entsprechende Lizenzen Geld ins Land brächten, interessiert Koian wenig: 'Wir haben keinen Hunger', sagt sie und verweigert sich westlicher Fortschrittslogik. Während ihre Bündnispartner Moratorien fordern, bis Forschungsergebnisse zur Umweltverträglichkeit vorliegen, will sie den vollständigen Stopp der Erkundungen. Die Sympathie aus dem Publikum ist unübersehbar. Eine Zuhörerin nennt die Südseeinseln gar ein 'Testgebiet für weltweiten Widerstand'. Mehrheitsfähig ist das aber nicht." [5]

War es nicht der unerschütterliche Glaube an jene "Fortschrittslogik", in dessen Banner einst die Meere und die dahinterliegenden Länder von europäischen Mächten erobert wurden? Und zeichnete sich dieser kolonialistische Übergriff westlichen Ursprungs nicht schon immer dadurch aus, daß die von den fremden Völkern gepflegte Verbindung mit der Umgebung, die sich dem Aneignungsinteresse der Kolonialherren entzog, nicht einmal als Denkoption geschweige denn als gelebte Praxis zugelassen wurde?

Die Formulierung, Rosa Koian "verweigere" sich, klingt so, als sei sie ein trotziges, kleines Kind, das von ihren Emotionen überschwemmt wird und dessen Anliegen deshalb nicht ernstzunehmen sei. Demgegenüber wird eine Erwachsenenwelt impliziert und von vornherein als dem eigenen Standpunkt zugehörig reklamiert, nach dem der Meeresbodenbergbau in der Bismarck-See selbstverständlich unter bestimmten Auflagen betrieben werden kann - obwohl doch all die wohlfeil formulierten und mit Brief und Siegel versehenen Bestimmungen, die bereits zum Schutz der Meere vereinbart wurden, nicht verhindert haben, daß sich diese inzwischen in einem ziemlich desolaten Zustand befinden. Oder, um es anders zu formulieren: Wenn die vielen guten Absichtsbekundungen zum Schutz der Meere entsprechend eingehalten und verwirklicht worden wären, würde es vermutlich gar keinen Anlaß geben, Initiativen wie Fair Oceans zu gründen.

Wozu mit dem Tiefseebergbau eine weitere Front der Ausbeutung und Umweltzerstörung eröffnen? Damit die Einwohner Papua-Neuguineas (genauer gesagt, die wohlhabenderen unter ihnen) irgendwann vor HDTV-Panoramabildschirmen sitzen und 3-D-aufbereitet sehen können, wie artenreich der Meeresboden vor ihrer Küste früher einmal gewesen war? Und dabei nicht einmal mehr bemerken, daß sich ihre Verbindung zum Meer inzwischen auf das Maß einer Diagonale von 107 cm bringen läßt?

Plasmabildschirm mit Aquariumwelt - Foto: Zarex, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

Verweigerung der Fortschrittslogik: "Dass entsprechende Lizenzen Geld ins Land brächten, interessiert Koian wenig." (taz, 18.5.2014)
Foto: Zarex, freigegeben als gemeinfrei via Wikimedia Commons

Auch wenn sie das Meer in sich tragen, haben sich die Landlebewesen von ihrer evolutionsgeschichtlich wäßrigen Umgebung schon weit entfernt. So weit, daß auch der Mensch ohne technische Hilfsmittel im Meer nicht lange überleben würde. Und wenn er sich von einem Boot tragen läßt, überantwortet er sich Kräften, die er allzu häufig nicht unter Kontrolle hat. Über die tödlichen Folgen solchen Kenterns berichtete auf der Konferenz Helmut Dietrich von der "Forschungsstelle Flucht und Migration" in seinem Vortrag "Flucht über See - (Un)Recht auf See" am Beispiel des Mittelmeeres, in dem jedes Jahr zahllose Menschen bei dem Versuch, der oftmals krassen Not in ihrer Heimat zu entkommen, ertrinken. Das gewaltige Wohlstandsgefälle, das sie zugunsten vergleichsweise besserer Überlebenschancen vergeblich zu überwinden versucht haben, wird unter anderem durch Institutionen wie die Europäische Grenzschutzagentur Frontex aufrechterhalten und abgesichert.

Auch diese gesellschaftliche Bruchlinie hat schließlich Eingang in einen Forderungskatalog gefunden, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz "Ein anderes Meer ist möglich!" zum Europäischen Tag des Meeres 2014 nach einer konzentrierten Debatte um einzelne Inhalte gemeinsam verabschiedet haben. Sie setzen sich für ein Ende von Überfischung und Vermüllung, den Ausbau des Meeresschutzes, die Unberührtheit der Tiefsee sowie für die Durchsetzung von Menschen- und Arbeitsrechten auf See ein. [6]

Die EU-Kommission spricht von einem "Innovationspotential" der Meere, das zivilgesellschaftliche Bündnis von deren "Grenzen". Hier wäre sicherlich noch im Detail auszuloten, was genau die jeweilige Seite darunter versteht. Denn ebenso wie der völlige Verzicht auf Meeresbodenbergbau "innovativ" sein kann, beispielsweise im Sinne der Veränderung der vorherrschenden Produktionsweise und Abkehr von der profitorientierten, kapitalgetriebenen Wirtschaft, werden umgekehrt mit dem Begriff Innovationspotential Grenzen postuliert, innerhalb derer etwas Neues geschaffen werden soll.

Nur einige der an den drei Tagen angesprochenen Themen konnten hier erwähnt werden, weitere wird der Schattenblick fortlaufend in Interviews mit Referentinnen und Referenten sowie Teilnehmenden vertiefen.


Fußnoten:


[1] http://ec.europa.eu/maritimeaffairs/policy/blue_growth/index_de.htm

[2] Zu dem Bündnis gehören: bbu - Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, BeN - Bremer entwicklungspolitisches Netzwerk, Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst, BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Deepwave, Deutsche Seemannsmission e.V., Fair Oceans (dem Arbeitsschwerpunkt des Vereins für Internationalismus und Kommunikation e.V.), Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace, itf - International Transport Workers' Federation, medico international, NABU - Naturschutzbund Deutschland, Robin Wood, Shipbreaking Platform, Slow Food Deutschland e.V., ver.di, Wasserforum Bremen, Waterkant, WDC - Whale and Dolphin Conservation, WWF - World Wide Fund For Nature

[3] Das berichtete vor kurzem der langjährige Ordinarius für Botanik an der Universität Basel und Direktor des Botanischen Gartens Basel, der emeritierte Professor Dr. Andres Wiemken, in einem Interview mit dem Schattenblick.
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0095.html

[4] http://www.medizin-welt.info/aktuell/Bakterien-Report-Was-die-Mikroorganismen-fuer-unser-menschliches-Leben-bedeuten/181

[5] http://www.taz.de/Meeresschutz/!138714/

[6] Erklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zivilgesellschaftlichen Konferenz zum Europäischen Tag des Meeres 2014

Für eine gerechte und umweltschonende Meerespolitik sind die folgenden Forderungen vordringlich:

1) Ende der Überfischung

Trotz immer zerstörerischerer Fangtechniken sinkt die Menge des global gefangenen Fischs, weil die Bestände unter der Überfischung zusammenbrechen. Der Preis dafür sind der Verlust an Stabilität der marinen Ökosysteme, an handwerklicher Fischerei und Ernährungssicherheit in den Ländern des Südens.

Wir wollen eine umfassende Reform der Fischerei hin zur Nachhaltigkeit. Wir fordern Fangquoten nach dem Prinzip des "maximum sustainable yield" (MSY) auf der Basis des Vorsorgeprinzips und ökosystemarer Ansätze. Fangmengen dürfen allein nach wissenschaftlichen Kriterien festgelegt werden. Ebenso wichtig ist der Abbau schädlicher Subventionen bis 2020, die umweltschädliche Fischereitechnologien und Fischereimethoden fördern. Unter anderem gilt es ein Verbot für Tiefsee- und Bodenschleppnetze umzusetzen und in diesem Kontext die entsprechende UNGA-Resolutionen, welche u.a. Bodenschleppnetze auf Seebergen verbieten, zu unterstützen. 2030 muss in einem zweiten Schritt eine Bewirtschaftung der Bestände von 20% unter dem MSY etabliert werden, um damit die illegale Fischerei mit in die Berechnungen einzubeziehen, den Schutz der marinen Biodiversität zu berücksichtigen sowie natürlichen Bestandsschwankungen besser Rechnung zu tragen.

Anstelle des dominierenden Zugriffs der Industrieländer und der industriellen Fangflotten auf die weltweiten Fischbestände fordern wir parallel zum Abbau in den Industrieländern die Entwicklung eigenständiger Fischerei-Kapazitäten im globalen Süden bis 2020 zur Sicherstellung des Rechts auf Nahrung und ein Umschwenken auf die Bevorzugung der handwerklichen Fischerei bei strukturellen Entscheidungen. Die Vergabe von Fischereilizenzen an Fangflotten in den AWZ von Ländern, in denen die Ernährungssicherheit gefährdet ist, darf nur nach einer unabhängigen, wissenschaftlichen Bestimmung eines entsprechenden Überschusses und transparenten sowie partizipativer Mechanismen erfolgen. Dazu sind entsprechend des Seerechtsübereinkommens bis 2020 flächendeckend "Regional Fisheries Management Organisations" (RFMOs) aufzubauen, die alle Fischfangnationen einbinden. In diesem Kontext muss auch die Bekämpfung der illegalen Fischerei konsequent umgesetzt werden.

2) Meeresschutz ausbauen

Wir wollen die Ausweitung der Meeresschutzgebiete im offenen Meer und an der Küste. Die Forderung der Biodiversitäts-Konvention (CBD) im Strategischen Plan nach 10% Meeresschutzgebieten im offenen Meer und an der Küste bis 2020 ist als Meilenstein einer neuen Zukunftsagenda zu setzen. Bis 2030 soll sich die Fläche der Meeresschutzgebiete auf 20% vergrößert haben. Meeresschutzgebiete müssen unter Berücksichtigung von Transparenz und naturschutzfachlichen Grundlagen festgelegt werden. Die Schutzgebiete müssen auf einem ausreichend finanzierten Management beruhen, das auf einer partizipatorischen und gerechten Grundlage fußt, die Rechte der lokalen Bevölkerung berücksichtigt sowie Betroffene in die Umsetzung der gebietsspezifischen Schutzziele und -regeln einbezieht. Schutzgebiete sollen ausreichend große ungenutzte Flächen (Nullnutzungszonen) enthalten. Für die europäischen Gewässer bedeutet dies mindestens 50%. Ebenfalls berücksichtigt werden muss ein vollständiger Ausschluss von Fischereitechniken aus Schutzgebieten, die zum Beifang von Meeressäugern und anderen Nichtzielarten führen und Lebensräume zerstören - allen voran Grundschleppnetzfischerei und Stellnetze. Die Reduzierung von Beifang muss in der Fischerei eines der obersten Ziele sein, entsprechend gefördert und durch selektive Fangtechniken umgesetzt und dies auch kontrolliert werden.

Der Prozess um ein "Implementing Agreement on Marine Biodiversity of the High Seas" im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) muss zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Meeresschutz muss auch auf dem Meeresboden etabliert werden. Auf der Hohen See und dem Meeresboden soll ein umfassendes Netzwerk von Schutzgebieten errichtet werden. Eigenständig sichergestellt werden müssen im Rahmen des Meeresschutzes der Artenschutz und der Erhalt der Biodiversität. Wesentliche Schritte hierzu sind das Verbot des Fangs und der Tötung von Walen und Delfinen, ein Verbot des Finnings von Haien, eine Eindämmung des illegalen Handels mit Meerestieren und des Beifangs von Seevögeln und anderen Meeresbewohnern.

Damit der Meeresumweltschutz eine Chance hat, muss die Versauerung und Erwärmung der Meere durch den Klimawandel eingedämmt werden. Eine konsequente Umsetzung der Vereinbarungen zum Klimaschutz ist hierfür die Voraussetzung.

Über die Meeresschutzgebiete hinaus ist für alle Meere das Ziel eines Guten Umweltzustandes im Sinne der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zu verfolgen.

3) Schluss mit der Vermüllung

Die Mülleinträge ins Meer sollen bis 2020 um mindestens 50% reduziert werden, in Anlehnung an den zu erreichenden Guten Umweltzustand nach der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Bis spätestens 2035 muss das Problem der "Müllkippe Meer" endgültig gelöst sein, das heißt der Eintrag muss auf Null reduziert werden. Um den Eintrag von Land zu verringern, müssen effektive Maßnahmen im Bereich der Ressourceneffizienz, des Produktdesigns und der Abfall- und Recyclingwirtschaft in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen entwickelt und mit den regionalen Meeresschutzübereinkommen vorangetrieben werden. Die 2011 verabschiedete "Honolulu-Strategie", die Message from Berlin (2013) und die auf der Rio+20-Konferenz begründete "UN-Partnership on Marine Litter" sollen vorangetrieben werden.

4) Tiefsee unangetastet lassen

Wir fordern ein internationales Moratorium für den Abbau von Erzen aus der Tiefsee. Wir fordern die Durchsetzung eines internationalen Verbots zur Förderung von Öl und Gas aus der Tiefsee und der Arktis bis 2020. Die Ölförderung in der Tiefsee (ab 200 m) und in der Arktis ist besonders riskant, wie sich beim Untergang der "Deepwater Horizon" bereits gezeigt hat. Unter der Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien müssen stattdessen alternative Rohstoffstrategien entwickelt werden, die vorrangig auf eine Einsparung und ein effektives Recycling setzen. Verstärkt gefördert werden muss die wissenschaftliche Grundlagenforschung zur Ökologie der Tiefsee. Von vornherein muss der Abbau von Methan aus der Tiefsee aufgrund der extrem klimatreibenden Auswirkungen des Gases verboten werden, ebenso die Einlagerung von CO2 in der Tiefsee, aufgrund des großen Gefahrenpotentials dieser Technologien.

5) Menschen- und Arbeitsrechte auf See durchsetzen

Die Rettung von Menschen aus Seenot, eines der ältesten Gesetze auf See, muss verbindlich durchgesetzt werden. Obwohl sie im Seerechtsübereinkommen der UN, in der "International Convention for the Safety of Life at Sea" (SOLAS) und der "International Convention on Maritime Search and Rescue" der International Maritime Organization IMO verankert ist, wird sie immer öfter missachtet, vor allem wenn es um die Seenotrettung von Flüchtlingen geht.

Billigflaggen müssen abgeschafft werden. Die Ausflaggung von Schiffen dient allzu oft der Aushebelung von Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechten auf See. Entsprechend der International Transport Workers Federation-Initiative von 1948 muss bis 2020 ein internationales Vertragswerk ratifiziert werden, das die Flagge an die Nationalität bzw. den Wohnsitz der Eigentümer bindet und dadurch eine bessere Kontrolle der Abläufe und Verantwortlichkeiten an Bord erlaubt.

Generell gilt es die Einhaltung von Menschen-, Arbeits- und Sozialrechten auf See, einschließlich Offshore-Anlagen und Häfen, auf Werften und bei der Abwrackung von Schiffen konsequent zu kontrollieren. So ist beispielsweise die Umgehung von Umwelt- und Sozialrechten in der maritimen Wirtschaft durch die Auslagerung von Schiffsabwrackungen zu unterbinden. Insbesondere muss Wert darauf gelegt werden, Kontrollen (Hafenstaat) zur Umsetzung und Einhaltung der Maritime Labor Convention 2006, die ab dem 20. August 2014 weltweit gelten wird, durchzuführen.

21. Mai 2014