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INTERVIEW/111: Fracking nein danke - vorbei an Mensch und Natur ... Wilfried Fischer im Gespräch (SB)


Mecklenburg-Vorpommern - das Erdölland von morgen?

Bericht und Hintergründe zu einer Demonstration am 24. Mai 2014 gegen die Förderung von Erdöl in Saal

Wilfried Fischer über das harte Erwachen eines verträumten Feriengebietes und die stillschweigenden Machenschaften der Erdölindustrie



Zumindest seit Douglas Adams "Per Anhalter durch die Galaxis" ist man darauf gefaßt, eines Morgens von der einschlagenden Kugel eines Abbruchunternehmens geweckt zu werden, weil das Haus, in dem man bis dahin friedlich zu leben glaubte, einer Umgehungsstraße, einer neuen U-Bahn-Haltestelle oder etwas in dieser Art weichen muß, und man es wieder mal nur verpaßt hat, rechtzeitig den 14tägigen Aushang im Keller des Amtsgebäudes zu lesen und innerhalb der angegebenen Frist dagegen zu protestieren. Doch morgens oder gar mitten in der Nacht aufzuwachen und festzustellen, daß ein Bohrturm in unmittelbarer Nähe errichtet wird, mit der unausweichlichen Bestimmung, sein Gestänge zunächst etwa 2700 Meter senkrecht in den Erdboden "abzuteufen", dann 1000 oder 2000 Meter weiter in der Horizontalen zu bohren, um anschließend mindestens eineinhalb Millionen Liter von Produktionswasser [1] in den Untergrund zu spülen, damit Öl, aber auch Erdreich in Bewegung gebracht werden, was schließlich alles zusammen mit an "Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit" zu Brüchen und Rissen im Mauerwerk des eigenen Home sweet Home führen wird? Keine Frage, das kann sich doch nur um eine Ausgeburt der Phantasie, bestenfalls um eine Science-Fiction Utopie irgendeines spinnerten Autors handeln ...

Weit gefehlt, für die Ein- und Anwohner_innen des idyllischen Örtchens Saal in Mecklenburg-Vorpommern ist genau diese Horrorvorstellung, die man hierzulande für nicht denkbar halten würde, Realität geworden. Auf einem Schild vor der Bohrstelle ist kleingedruckt zu lesen: "Nach einer Tiefbohrung im Jahr 2011 führt die CEP Central European Petroleum GmbH hier in 2014 den Testbetrieb durch." Die meisten Einwohner von Saal wußten davon nichts. Bürgerinnen und Bürger erfuhren von dem Projekt erst aus der Zeitung, nachdem sie sich allerdings schon gewundert hatten, was ihnen da eigentlich seit einiger Zeit bei Tag und Nacht stattfindenden Bauarbeiten die Ruhe und den Schlaf raubte. Da war, wie sie in der "Ostseezeitung" am 2. März 2011 genannt wurde, die "Weiße Lady", der stählerne Bohrturm nördlich von Saal, längst errichtet worden.

Auf einem Schild vor der Bohrstelle neben dem Firmenlogo der Satz: 'Nach einer Tiefbohrung im Jahr 2011 führt die CEP Central European Petroleum GmbH hier in 2014 den Testbetrieb durch.' Darunter die beteiligten Unternehmen, daneben eine Grafik, die den Bohrturm und die durchstoßenden Erdschichten zeigt - Foto: © 2014 by Schattenblick

Transparenz wird großgeschrieben, wenn man nahe genug herankommt.
Der Bau ist über die Köpfe der Saaler hinweg entschieden worden.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Der gelernte Industriekaufmann Wilfried Fischer aus Wieck auf dem Darß, der seinen Lebensunterhalt u.a. durch Einnahmen aus dem Tourismus der Region bestreitet, und der für die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Kreisverband Vorpommern-Rügen sitzt, empörte sich in einem Redebeitrag auf der Demonstration gegen das CEP-Vorhaben in Saal am 24. Mai 2014 vor allem über die gezielte, marktorientierte Desinformationspolitik des Förderunternehmens [2], das, von einer wohlwollenden Wirtschaftspolitik gefördert, die Bürger vor vollendete Tatsachen stellte.

Dies sei wohl gängige Praxis der Ölfirma, die parallel auch auf der Insel Usedom bohrt. Hier hätten die Bewohner ebenfalls erst am 14. April 2011 aus der Zeitung "Die Zeit" erfahren: "Usedom wird Ölbohrinsel." Als man die Gemeinde der Form halber um ihre Meinung fragte, waren die Bauvorbereitungen längst im Gange. Und da für diesen wie für alle ähnlichen Fälle immer noch das alte Bergrecht gilt, aufgrund dessen die Bodenschätze nicht den Gemeinden gehören und deutsche Lagerstätten mit entsprechender Genehmigung vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld - und damit von der Wirtschaftsbehörde als vorgesetzte Fachbehörde - von Förderfirmen erkundet und gefrackt werden dürfen, konnte der Gemeinderat in Usedom [3], der einstimmig gegen das Vorhaben ist, nichts dagegen machen: "Bundesrecht bricht Landesrecht, und Bergrecht bricht alles!"

Wilfried Fischer bei der Protest-Kundgebung vor dem alten Saaler Bahnhof. - Foto: © 2014 by Schattenblick

'Bundesrecht bricht Landesrecht, und Bergrecht bricht alles.'
Daß Usedom Ölbohrinsel werden soll, haben die Bewohner ebenfalls erst aus der Zeitung erfahren.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Am 14. März 2014 habe er, wie Wilfried Fischer erklärte, aufgrund der Tatsache, daß hier zunächst 2500 Meter tief, dann 1300 Meter waagerecht gebohrt wird (die Angaben, die das Unternehmen dazu veröffentlicht, schwanken hier durchaus [2]), und zwar in unmittelbarer Nähe zum EU-Vogelschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet und FFH-Management-Gebiet [4] Regnitz, zum Zingster Osterwald und zu der Halbinsel Zingst, persönlich auf der Einwohnerfragestunde des Kreistages Nordvorpommern die Frage gestellt: "Auf Basis welcher Genehmigungsverfahren finden eigentlich diese Probebohrungen statt?" Daß ihm der Landrat darauf keine Antwort geben konnte, habe bei ihm den Eindruck geweckt, daß dieser wie auch die Abgeordneten in diesem Moment erstmals von dem Vorhaben erfahren hatten.

Zusammen mit befreundeten Initiativen hatte die neu gegründete Bürgerinitiative Erdöl Barth zu einem friedlichen Marsch zum Bohrplatz am Dorfrand an diesem Mai-Samstag mobil gemacht, um letzteren für eine Stunde symbolisch zu blockieren und gegen die Anwendung von Fracking bei der Testförderung in Saal und anderswo zu protestieren. Etwa 220 bis 300 Saaler Bürger aller Generationen, aber auch angereiste Vertreter zahlreicher Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Parteien aus dem grünen und linken Spektrum waren gekommen.

Demonstranten mit Fahrrädern, Fahnen und Plakaten während des Marsches zum Bohrgelände - Foto: © 2014 by Schattenblick

Zwischen phantasievollen Eigenkreationen an Anti-Fracking Bannern, immer wieder grüne und rote Fahnen und Plakate.
Links im Bild: Auch die Landesvorsitzende Claudia Müller war dabei.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Viele im Ort wüßten selbst jetzt noch nicht von diesem Vorhaben der Industrie, geschweige denn, was auf dem Spiel steht, meinte Diplomingenieur Bernd Ebeling, der noch vor dem Aufbruch vom alten Saaler Bahnhof zur Barth 11 genannten Bohrstelle eine junge Passantin gefragt hatte, ob sie denn wisse, worum es hier geht. Der Uelzener Aktivist (BI Uelzen) klärte die Betroffenen vor der Bohrstelle aus eigener Erfahrung über die Folgen und die Problematik dieser neuen Technologie auf, welche - wenn von der CEP auch hydraulische Stimulierung genannt, die angeblich nur den Weg für das Öl von Bohrschutt befreien soll -, doch letztlich mit vergleichbaren Mitteln wie beim Fracking arbeitet, damit das Öl überhaupt fließen kann. Fließt es nicht schnell genug, sollen laut CEP Pumpen das weitere Sprudeln des Ölquells garantieren. [2] Auf der Projektankündigung des Unternehmens vor der Bohrstelle (siehe Bild oben) wird auch das Bohrvorhaben skizziert. Selbst die nicht maßstabsgetreue Grafik - danach wäre der Bohrturm allein fast 300 Meter hoch - zeigt doch eindrücklich die zahlreichen Bodenschichten, die präzise durchstoßen werden müssen, um eine verhältnismäßig flache, hier gelb markierte, ölführende Gesteinsschicht des 256 Millionen Jahre alten Staßfurtkarbonats im Zechstein zu treffen.

Diese Technologie sei in einem geologischen Umfeld wie die Saal-Barth-Struktur noch nie erprobt worden. Dafür bräuchte man mindestens 30 Jahre, schätzte die Landesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Müller, die sich ebenfalls bei den Kundgebungen äußerte. Die Förderung der Bohrstelle Barth 11 ist für 26 Jahre ausgelegt. Damit würden nach dieser Vorgabe noch vier Jahre an einer angemessenen Testphase für die Technologie fehlen, wenn das Ölfeld bereits erschöpft sein wird. Menschen und Umwelt der Region seien die Versuchskaninchen.

Auch wenn die Betreiberfirma zahlreiche Argumente vorbringt, nach denen hier ganz konventionell Erdöl gefördert werden soll, wie man es in der Region schon früher gemacht hat [2], bleiben doch nicht unerhebliche Gefahren und Risiken. Das Erdöl befindet sich zwar schon seit Jahrtausenden in tiefen Schichten der Region, doch um es zu fördern, muß es zwangsläufig auch durch Schichten hindurch bewegt werden, in denen natürlicherweise kein Erdöl vorkommt. Gase und flüchtige Erdölkomponenten könnten dabei frei werden. Das kann ungeahnte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, von Befindlichkeitsstörungen wie Schwindel und Kopfschmerzen bis hin zu chronischen Erkrankungen oder Krebs. [5]

Zudem befindet sich das Aufsuchungsgebiet Grimmen 2 mitten in der idyllischen Boddenlandschaft. Die Bohrstelle Barth 11 ist nur 800 Meter vom Bodden entfernt. Eine gewöhnliche Havarie, die bei solchen Unternehmungen nie ganz auszuschließen ist, könnten das Trinkwasser verschmutzen, aber auch die einzigartige Flora und Fauna des Ökosystems im und um den Bodden auf unabsehbare Zeit durch eine Ölpest gefährden bzw. vernichten, von den Folgen für den Tourismus in einem auf diese Weise unattraktiv gewordenen Erholungsgebiet einmal abgesehen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde bisher nicht durchgeführt. Um sie aber gesetzlich zu erzwingen, ist die täglich zu erwartende Fördermenge noch zu gering.

Blick über die typische Wiesenlandschaft der Region - Foto: © 2014 by Schattenblick

Vom Bohrturm aus sind es nur noch 800 Meter bis zum Bodden.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Nach 26 Jahren könnten im gesamten Gebiet knapp 5 Millionen Tonnen Öl gefördert werden, wenn die Hochrechnungen der Förderfirma stimmen. Bei einem deutschen Gesamtbedarf von 100 Millionen Tonnen Erdöl würde das Öl rund 18 Tage und einen Vormittag reichen. Die Bürgerinitiative selbst kommt auf nur 16 Tage und zwölf Stunden, wobei sie möglicherweise dem ungehinderten und daher auch weiter zunehmenden Verbrauch an Erdöl Rechnung trägt, der durch solche Unternehmen gefördert wird. Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort waren sich jedoch einig, daß 26 Jahre garantierte Luftbelastung durch die zu erwartenden Erdölausdünstungen an den 17 Produktionsstellen die Klimabelastung durch das übliche Abfackeln des Begleitgases an der Bohrstelle sowie das Risiko von Havarien, neben den nicht auszuschließenden Erschütterungen, Beben oder die Folgen für ihre Häuser, ein zu großes Opfer für die 16- oder auch 18tägige Sättigung des deutschen Erdölverbrauchs sind.

Am 16. Januar dieses Jahres hätte der Wirtschaftsausschuß des Landtages in Saal in einer wie üblich nicht-öffentlicher Sitzung getagt. Geladen gewesen waren laut Wilfried Fischer nur der Bürgermeister, die Gemeindevertreter und Vertreter der CEP. Er habe versucht, eine Petition zu überreichen, mit der Frage, die Sitzung öffentlich zu machen, um die Bürger an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Dietmar Eifler (CDU), habe seine Bitte mit den Worten abgelehnt: "Wer sind Sie überhaupt, ich kenne Sie nicht, ich nehme von Ihnen nichts an."

Auf dem Weg zur Bohrstelle ergab sich für den Schattenblick die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Aktivisten, der sich mit seiner Partei dafür stark macht, das Ignorieren des öffentlichen Einspruchs zur Erdöltestförderung in Saal nicht mehr hinzunehmen.

Ein selbstgeschriebenes Plakat fragt: Für 16 1/2 Tage Ölverbrauch Deutschlands nicht rückholbares Risiko - TUT DAS NOT? - Foto: © 2014 by Schattenblick

Berechtigte Frage
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Sie sprachen gerade davon, daß Sie selbst erst aus der Zeitung davon erfahren haben, daß hier wieder nach Erdöl gesucht werden soll? Gab es da nicht vorher schon irgendwelche Mitteilungen amtlicherseits, wo man hätte Einspruch erheben können?

Wilfried Fischer (WF): Nein, in diesem Fall ist es tatsächlich so gewesen. Dabei handelte es sich aber um die sogenannte Erkundungsbohrung im Jahr 2011. Wir müssen hier zwischen Erkundungsbohrungen und Probebohrungen unterscheiden. Aber diese erste Tiefbohrung war der erste Schritt und von dem haben wir tatsächlich erst aus der Zeitung erfahren, ebenso wie die Saaler Bürgerinnen und Bürger. Die wurden eigentlich völlig davon überrascht, daß ihr Dorf plötzlich nachts so hell erleuchtet war. Auf der Bohrstelle wurde nämlich 24 Stunden gearbeitet. Auf der Homepage von CEP kann man sogar ein Foto sehen, auf dem sie stolz zeigen, wie hell die ganze Bohrstelle erleuchtet war, um ihr Projekt termingerecht zu schaffen. Dafür konnte man dann nachts in einigen Teilen des Ortes Saal nicht mehr schlafen.

SB: Der Firma wird ja gemeinhin eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit attestiert. War das zu dem Zeitpunkt noch nicht der Fall?

WF: Doch, das machen sie auch, das kann man nicht abstreiten. Sie machen eigentlich eine relativ gute PR, aber ich muß einfach sagen, ich bin persönlich sehr an dieser Region interessiert, so daß ich ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger im Ort sofort aufgemerkt hätte, wenn verlautbart worden wäre, daß man hier eine Erkundungsbohrung plant. Also muß das quasi hinter verschlossenen Türen beschlossen worden sein. Es mag durchaus angehen, daß die Gemeindevertreter von Saal davon wußten, denn wir stellen immer wieder fest, daß die CEP sowohl Gemeindevertreter als auch den Kreistag oder auch die Landtagsausschüsse umfassend informiert, aber immer unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

SB: Das heißt, es wurde auch dann nicht bekannt gegeben?

WF: Es kam gar nicht an die Öffentlichkeit. Und die Gemeindevertreter, die davon gewußt haben, sind ja verpflichtet, über den nichtöffentlichen Teil der Sitzungen zu schweigen.

SB: Wann hat sich die Bürgerinitiative Erdöl Barth gebildet? Oder ist sie erst noch im Entstehen?

WF: Sie ist gerade im Begriff, sich zu bilden. Es dauert ja immer ein bißchen länger, bis man sich überhaupt über die langfristigen Folgen der Erdölförderung im klaren ist. Und manchmal ist es eben auch so, daß Bürgerinnen und Bürger sich zunächst noch nicht so viele Gedanken darüber machen. Auch unter dem Aspekt, daß hier eben zu DDR-Zeiten auch schon mal nach Öl gebohrt und auch welches gefördert wurde.

SB: Und mit dieser Demonstration wollen sie noch einmal auf die Probleme aufmerksam machen. Ist das die erste Demonstration dieser Art?

WF: Ja, hier in Saal ist es die erste Demonstration. Auf Usedom, wo praktisch die gleiche Situation vorherrscht, hatten wir bereits am Ostermontag einen Protest und in Pudagla [3] war auch eine größere Demonstration von verschiedenen Bürgerinitiativen, an denen wir ebenfalls teilgenommen haben.

SB: Und wie sieht das jetzt aus? Wird die Bürgerinitiative vom Gemeinderat unterstützt werden? Gibt es da inzwischen Verbindungen?

WF: Das ist schwer zu sagen. Wir befinden uns ja heute genau einen Tag vor der Kommunalwahl. Morgen werden auch in Saal neue Gemeindevertreter und ein neuer Bürgermeister gewählt. Und da sind wir erstmal ganz gespannt, wie sich dann der neue Gemeinderat zusammensetzt. [6]

Ansonsten haben wir aus dem Gemeinderat bisher keine irgendwie gearteten Stellungnahmen erhalten. Er ist relativ neutral bis auf den Bürgermeister der Gemeinde Saal, der sich wohl einen Vorteil von der sogenannten Gewerbesteuer für die nächsten Jahre erhofft. Was ich natürlich relativieren muß, denn die Gewerbesteuer wird an den einzelnen Bohrorten nur mit der Gießkanne verteilt. Der Hauptertrag der Gewerbesteuer geht an den Sitz der Firma. Und der ist zur Zeit in Berlin. Die CEP selbst ködert im Moment mehrere Städte und Gemeinden hier in der Gegend. Das ist zum Beispiel Grimmen, das ist auch Stralsund und auch Regnitz-Damgarten, die sich erhoffen, daß die CEP ihren Hauptsitz in einen dieser Orte verlegt, wohlweislich, um dann den Hauptteil der Gewerbesteuer beanspruchen zu können.

Plakat mit einem Strandkorb und der Aufschrift 'MV tut auch gut ohne Öl, Ölförderung und Fracking - Nein danke!!!' - Foto: © 2014 by Schattenblick

Privater Bürgerprotest gegen die Erdölförderung an sich. Selbst wenn nicht gefrackt wird, sinkt der Erholungswert des Urlaubsortes.
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Gibt es eigentlich schon Einschätzungen darüber, welchen Einfluß das zeitlich begrenzte Ölgeschäft auf den Tourismus haben wird, der ja auch an der Ostseeküste einen sehr einträglichen Wirtschaftszweig darstellt?

WF: Ich habe ja selbst auch ein bißchen mit dem Tourismus zu tun, da ich in Wiek auf Darß wohne, einer Tourismushochburg im Nationalpark und ich spreche mit unseren Gästen. Bisher hat sich noch niemand begeistert über die Aussicht äußert, daß in Zukunft in einem so sensiblen Gebiet Öl gefördert werden soll. Ich denke dabei in erster Linie an Havarien, die ja nie auszuschließen sind. Und das wäre für den Tourismus die größte Katastrophe. Ein mit Öl verseuchter oder mit einem Ölteppich bedeckter Bodden, der ja quasi zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gehört, wäre der Supergau.

SB: Eine derartige Ölverschmutzung ließe sich gar nicht eindämmen. Oder kennen Sie schon entsprechende Notfallpläne des Unternehmens?

WF: Wir haben nach Notfallplänen gefragt. Die wären, sagte man uns, in der Schublade. Es gab auch, das muß man zugeben, vorige Woche hier einen Probealarm, der allerdings keine Öl-Havarie-Übung war, sondern sich auf den Ausbruch eines Feuers beschränkte. Also gut, die Feuerwehr hatte auf diese Weise schon mal einen Probeeinsatz. Es wurde jedoch nur simuliert, daß auf dem Bohrgelände ein LKW brennt.

SB: Das heißt, es war gewissermaßen ein beherrschbares Unglück, das nachgestellt wurde.

WF: Es wurde hier noch nie simuliert, daß Öl ausläuft.

SB: Wäre in einem solchen Fall nur die örtliche Feuerwehr zuständig oder gibt es so etwas wie eine Betriebsfeuerwehr der Förderfirma, die mit allem Nötigen ausgerüstet ist? Man kann sich vorstellen, daß die örtliche Feuerwehr für einen solchen Ernstfall noch einiges nachrüsten müßte?

WF: Im Ernstfall wäre tatsächlich nur die örtliche Feuerwehr zuständig. Ich selbst bin zufällig im Kreistag Mitglied des sogenannten Katastrophen- und Umweltschutzausschusses und habe dort auch schon mal die Frage an den Landkreis gestellt, ob es für den Notfall schon ein Konzept für die Ölbohrstellen gibt. Das konnte man mir aber nicht nachweisen.

SB: Es gibt also nach Ihren Ermittlungen noch kein bekanntes Konzept.

WF: Doch es gibt das normale Feuer- und Havariekonzept, das beschränkt sich auf die sogenannten Verkehrsunfälle mit Feuer. Aber natürlich nicht auf eine Bohrturm-Havarie mit auslaufendem Öl in den Bodden. Die Freiwillige Feuerwehr in Saal ist für Öleindämmungsmaßnahmen und dergleichen gar nicht eingerichtet.

Es gibt natürlich zwei oder drei Feuerwehrstellen, die jetzt eben speziell in der Ostsee auf Ölunfälle eingerichtet sind. Aber die eine ist, soviel ich weiß, auf Rügen und die andere ziemlich weit weg von hier.

SB: Was erhoffen Sie sich von der heutigen Aktion?

WF: Wir wollen einfach nochmal darauf hinweisen, daß diese geplante Ölförderung im falschen Gebiet stattfindet. Und außerdem betonen, daß Ölförderung an sich die sogenannte Energiewende eigentlich eher behindert als befördert. Mit jedem Liter oder mit jeder Tonne Öl, die weiter gefördert wird, müssen diejenigen ihre Köpfe weniger anstrengen, die eigentlich die Motorisierung mit Elektromobilen oder mit Elektroautos vorantreiben sollten.

Ich bin aber auch als Vorstandsmitglied beim Bündnis 90/Die Grünen des Kreisverbandes Vorpommern-Rügen tätig. Auf unserer letzten Parteiversammlung des Landesverbandes haben wir einen Antrag eingebracht, die Ölförderung zu stoppen und wenn sie nicht mehr aufzuhalten ist, zumindest mit gewissen Auflagen zu versehen, nämlich in erster Linie kein Fracking und keine Ölförderung im Nationalpark, unter dem Nationalpark und generell unter Gewässern zuzulassen.

Wir sind da zwar nicht besonders optimistisch, daß wir unsere Forderungen durchbringen können, aber wir wollen zumindest die Einrichtung entsprechender Kontrollinstanzen erreichen. Wir wollen auch, daß die Ölförderung durch ein entsprechendes Monitoring begleitet wird, denn wir wollen eben tatsächlich verhindern - und das kann bei der geplanten Horizontalbohrung hier in Saal sehr schnell passieren -, daß die Ölförderung unter dem Gewässer stattfindet. Denn hier wird demnächst laut Plan ab ungefähr 2300 Metern Tiefe horizontal gebohrt und dann sind wir doch sofort im Bodden. Dazu gab es einen Parteitagsbeschluß und deshalb sind wir eigentlich auch in offizieller Funktion hier, nämlich als Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen.

SB: Vielen Dank Herr Fischer, für das Gespräch.

Typische Boddenlandschaft mit Reetdachhaus - Foto: © 2014 by Schattenblick

Eine Erdölhavarie unter dem Bodden wäre der Supergau für die Landschaft
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] Wieviel Wasser bei dem Bohrvorhaben tatsächlich verwendet (und damit verdorben) wird, ist schwer zu ermitteln. In einem Antwortschreiben zum Fragenkatalog, den der Arbeitskreis Erdölförderung Mecklenburg-Vorpommern im Kreisverband Vorpommern-Rügen bei Bündnis 90/Die Grünen schriftlich einreichte, spricht CEP von einem einmaligen Einsatz von 1500 Kubikmetern Stimulationsfluid.

Auf die Frage "Wie viel Flüssigkeit wird ihrer Prognose nach auftreten?" schreibt CEP Central European Petroleum GmbH wörtlich: "1500 Kubikmeter Stimulationsfluid werden einmalig eingesetzt. Es wird erwartet, dass 60-80 Prozent im Rückfluss vor Beginn der Ölförderung rückgewonnen wird. Die verbleibenden Mengen werden mit der Ölförderung sukzessive rückgefördert, auf dem Standort abgeschieden und entsprechend der oben beschriebenen Pfade entsorgt."

http://www.gegen-gasbohren.de/wp-content/uploads/2014/05/20140509_CEP_Antwortschreiben-an-GRUeNEN-Arbeitskreis-Erdoelfoerderung-M-V_09.05.2014.pdf

1500 Kubikmeter Frack-Fluid entsprechen 1,5 Millionen Liter an frischem Wasser, das einmalig eingesetzt werden soll, um den Ölfluß zu stimulieren, wie CEP dieses technologische Anschlußverfahren nennt, um sich von dem negativ besetzten Begriff der hydraulischen Fraktionierung (Fracking) abzugrenzen. Von der Technik her unterscheiden sich die Verfahren allerdings nur bedingt. Auch nicht gesagt wird in diesem Zusammenhang, daß dieser Prozeß schon während der ersten Testreihe zur Bestimmung des Ölflusses zehnmal durchgeführt werden muß. Zudem sollen, wenn alles nach Wunsch der CEP läuft, 17 Bohrstellen errichtet werden.

[2] Weitere Einzelheiten, die Zweifel aufwerfen, ob das Erdölunternehmen genau weiß, was es im Erdinnern anrichtet, siehe Bericht zum Fracking Vorhaben in Saal:
UMWELT → REPORT → BERICHT
BERICHT/074: Fracking nein danke - bohren, testen und zerbrechen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0074.html

UMWELT → REPORT → INTERVIEW
INTERVIEW/112: Fracking nein danke - und alle Teile des Problems ... Jörg Irion von der Bürgerbewegung Berlin im Gespräch (SB)
Jörg Irion über Fracking und die Gründung einer Umweltgewerkschaft zur Entwicklung der Kampfkraft gegen Konzerninteressen

[3] CEP bohrt auch in der Boddenlandschaft von Usedom bei Lütow und östlich davon im Achterwasser bei Pudagla, außerdem im südlichen Brandenburg bei Guhlen. Auf der Insel Usedom waren nach einem Aufruf der Bürgerinitiative "Lebensraum Vorpommern" zu einer Demonstration 500 Menschen durch das Ostseebad Zinnowitz gezogen, um gegen Fracking in der Region zu demonstrieren.

[4] FFH-Gebiete sind Gebiete, die nach der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG) und nach der Vogelschutzrichtlinie (vom 2. April 1979, 79/409/EWG) für das Schutzgebietssystem "Natura 2000" ausgewählt wurden. In diesen Richtlinen werden Arten und Lebensraumtypen genannt, welche besonders schützenswert sind und für die ein Schutzgebietsnetz aufgebaut werden soll.

Die Bohrstelle Barth 11 liegt in der Mitte von zahlreichen FFH-Gebieten, wie der Barther Bodden, das Barther Stadtholz, das Hohe Ufer zwischen Ahrenshoop und Wustrow, die Halbinseln Zingst u.a.m.

[5] Mehr über Gefahren und Risiken des Frackings finden Sie in früheren Berichten der Schattenblick-Redaktion im INFOPOOL:

NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

MELDUNG/007: Frackingschäden - eine Zwischenbilanz (SB)

UMWELTLABOR/275: Unbarmherzig, unbedacht - Fragen an das Fracking (SB)
UMWELTLABOR/276: Unbarmherzig, unbedacht - Folgen unausbleiblich (SB)
UMWELTLABOR/277: Unbarmherzig, unbedacht - Werbe- und PR-Chemie (SB)
UMWELTLABOR/278: Unbarmherzig, unbedacht - Frack as frack can (SB)
UMWELTLABOR/279: Kalifornien - Ressourcenfraß im Schutz der Lücken (SB)

UMWELT → REDAKTION

RESSOURCEN/141: Strahlengefahr durch Fracking? (SB)
RESSOURCEN/142: Folgen des Frackings unerforscht - Beispiel durchlässige Bohrwände (SB)
RESSOURCEN/143: Hoher Wasserverbrauch bei Förderung von Schiefergas (SB)
RESSOURCEN/145: USA - Neue Bestimmungen zum Fracking vorgeschlagen (SB)
RESSOURCEN/146: EU-Administration setzt umstrittenes Fracking auf ihre Agenda (SB)
RESSOURCEN/149: Fracking beschwört Strahlengefahr aus der Tiefe herauf (SB)
RESSOURCEN/150: Bürger von Balcombe wehren sich gegen das Fracking (SB)
RESSOURCEN/151: Fracking unverzichtbar? Britischer Premierminister konstruiert Sachzwänge (SB)
RESSOURCEN/153: Fracking - Radionuklide im Natur-Idyll Pennsylvanias (SB)
RESSOURCEN/154: Blubbernde Brunnen - Explosionsgefahr durch Fracking (SB)
RESSOURCEN/155: Konzertierte EU-Offensive für Fracking (SB)
RESSOURCEN/157: Sachzwanglogik - Fracking in der EU aufgrund Krim-Krise? (SB)
RESSOURCEN/158: Fracking und die explosive Zunahme von Erdbeben in Oklahoma (SB)

UMWELT → REPORT

BERICHT/069: Fracking nein danke - Zu viele Fragen ... (SB)

INTERVIEW/079: Fracking nein danke - Ökoökonomischer Widersinn, Uwe Thiele im Gespräch (SB)

[6] Die Kommunalwahl ergab keinen Wechsel, sondern erneut einen klaren Wahlsieg für die CDU. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie im Kreis Vorpommern-Rügen, dem Bundestagswahlkreis von Angela Merkel (CDU), in dem auch das Aufsuchungsgebiet Grimmen 2 liegt.

6. Juni 2014