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LANDRAUB/005: Gequälte Erde - Ressourcenschwund befeuert globalen Landklau (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. März 2012

Umwelt: Gequälte Erde - Ressourcenschwund befeuert globalen Landklau

von Stephen Leahy

Arbeiter der Firma Caudalosa entfernen Abraum aus Perus Opamayo-Fluss - Bild: © Milagros Salazar/IPS

Arbeiter der Firma Caudalosa entfernen Abraum aus Perus Opamayo-Fluss
Bild: © Milagros Salazar/IPS
Uxbridge, Kanada, 2. März (IPS) - Ein weltweites Gerangel um Land und Rohstoffe, angetrieben durch Investitionen in Milliardenhöhe, gefährdet die letzten intakten Ökosysteme, zerstört Gemeinschaften und verseucht die globalen Frischwasserreserven. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung der Gaia-Stiftung in London.

Kein Nationalpark, kein noch so fragiles Ökosystem und keine Gemeinschaft wird von der Jagd nach den heiß begehrten Metallen, Mineralien und fossilen Brennstoffen verschont. Dabei ist die Natur schon jetzt über alle Maßen übernutzt, wie der Report 'Opening Pandora's Box' warnt.

"Wir fordern ein globales Moratorium für neue Bergbauprojekte, für die Prospektion und den Abbau von Bodenschätzen", so Teresa Anderson von der Gaia-Stiftung, einer internationalen Umweltorganisation mit Sitz in London, die mit lokalen Gemeinschaften zusammenarbeitet.

Erst kürzlich hatte der Weltnaturschutzbund IUCN darauf aufmerksam gemacht, dass selbst Gebiete, die als Welterbe der Menschheit anerkannt sind, vor einer Ausbeutung durch die Bergbau-, Öl- und Gasindustrie nicht sicher sind.

In Afrika ist bereits jedes vierte Naturschutzgebiet betroffen. "Wo immer du lebst wird Land für den Bergbau und die Erdöl- und Gasproduktion zur Verfügung gestellt", unterstrich Anderson nach der Veröffentlichung des neuen Berichts am 29. Februar im IPS-Gespräch.


Fragwürdige Fördermethoden

Nachdem die Rohstoffindustrie die leicht zugänglichen Ressourcen abgebaut hat, verlegt sie sich nun, finanziert durch Rentenfonds und Rohstoffspekulanten, auf neue Produktionsmethoden wie die Gasförderung durch Fracking. Dabei werden Millionen Liter Wasser mit zum Teil giftigen Chemikalien versetzt und in Schiefergesteinsschichten gepresst, damit diese aufbrechen und den Zugang zum Gas ermöglichen.

Diese neuen Fördertechniken verursachen noch größere Schäden als die herkömmlichen Methoden. Das gilt auch für den Abbau der kanadischen Teersandfelder. Um ein Barrel Öl zu produzieren, werden zwei bis vier Tonnen Erdreich bewegt und etwa ebenso viel Wasser verbraucht. Ähnlich tief ist der ökologische Fußabdruck bei der Kupferproduktion.

Diese extremen Abbaumethoden seien neue Varianten des globalen Landklaus, meinte Henk Hobbelink von GRAIN, einer kleinen Nichtregierungsorganisation, die mit Kleinbauern und bäuerlichen Gemeinschaften zusammenarbeitet. GRAIN hatte erstmals darauf aufmerksam gemacht, dass in Afrika, Asien und Südamerika Millionen Hektar Land an ausländische Regierungen oder Privatinvestoren verschachert werden, um dort Nahrungs- und Energiepflanzen für den Export zu produzieren. GRAIN hat 400 solcher Landdeals dokumentiert, die inzwischen eine Fläche von insgesamt 35 Millionen Hektar betreffen. Das entspricht in etwa der Größe der Niederlande.

Land Grabs zugunsten von Bergbauaktivitäten und der Öl- und Gasförderung seien Teil eines Großangriffs auf Land, Territorien und Ressourcen, so Hobbelink. Der durch ausländisches Kapital und Spekulationen befeuerte Landklau mache aus Gemeinschaften Flüchtlinge auf ihrem eigenen Land. Wer sich widersetze, werde vertrieben oder getötet.

"Diese neue Welle von Land Grabbing stellt den Profit über das Wohl der Menschen und des Planeten", kritisierte Polly Higgins, Autorin von 'Eradicating Ecocide' (Den Ökozid ausmerzen). Eigentlich müssten Staaten angesichts der Verluste von Land und Leben den Abbau der Bodenschätze verhindern.

Die Fakten, die man im letzten Jahr für den neuen Bericht zusammengetragen habe, belegen eindrucksvoll, dass die Bodenschätze immer aggressiver und großflächiger abgebaut würden, sagte Anderson. Fördermethoden wie Fracking würden nicht nur in entlegenen Regionen durchgeführt, sondern "in deinem Hinterhof."


Neuer Abbauboom

Doch nicht nur Gas, auch andere Rohstoffe werden in immer größerem Maßstab abgebaut. So hat sich die Produktion von Eisenerz in der letzten Dekade um 180 Prozent, von Kobalt um 165 Prozent und von Lithium um 125 Prozent erhöht. Der chinesische Bergbausektor weitete seine Operationen um 30 Prozent in nur fünf Jahren aus, und die peruanischen Mineralienexporte stiegen allein 2011 um ein Drittel.

Die Kohleproduktion zog trotz der internationalen Einsicht, dass die Klimagasemissionen dringend gesenkt werden müssen, in den letzten zehn Jahren um 44 Prozent an. "Die notwendigen Anstrengungen, von fossilen Brennstoffen abzukommen, wurden nicht unternommen", beklagte Anderson. Stattdessen fließt immer mehr Geld in die Öl- und Gassuche in entfernten Regionen wie der Arktis und in extreme Abbaumethoden wie Fracking.

Neben dem unerhörten Wasserverbrauch werden bei der Ausbeutung der Bodenschätze Unmengen an gefährlichen Abfällen produziert. Der durch Kanadas Teersandoperationen generierte giftige Abraum wird in Rückhaltebecken von einer Gesamtgröße von 130.000 Hektar gelagert.

Minenunternehmen 'entsorgen' jedes Jahr mehr als 180 Millionen Tonnen Giftmüll in Flüssen, Seen und Meeren, wie aus einer weiteren Untersuchung hervorgeht, die am 28. Februar vorgestellt wurde. "Die Gewässer unserer Welt zu verseuchen, ist verantwortungslos, und diese verursachten Schäden lassen sich nicht rückgängig machen", betonte Payal Sampat von 'Earthworks' in Washington.

"Unsere Flüsse haben sich rot verfärbt, unsere Häuser stehen nicht mehr auf sicherem Boden und wir haben unser Trinkwasser eingebüßt", protestierte Mark Ekepa, ein Landeigentümer im indonesischen Westpapua. Dort werden bei der Ausbeutung der Grasberg-Mine durch die kanadische Firma 'Barrick Gold' Millionen Tonnen toxischer Rückstände freigesetzt.


Höhere Etats

Steigende Preise, ein erhöhter Materialbedarf und eine Flut von Investitionen haben den globalen Boom der Rohstoffindustrie ausgelöst, so der Bericht Opening Pandora's Box. Nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte 2008 erhöhten die Investoren von Hedge- und Rentenfonds ihre Investitionen in Metalle, Mineralien, Öl und Gas. Dies führte dazu, dass die Explorationsbudgets Rekordhöhen erreichen: 18,2 Milliarden Dollar 2011 allein für Metalle außer Eisen. Der Etat hat sich somit seit 1994 versechsfacht.

Zu verantworten hat die Entwicklung vor allem der weltweite Konsumrausch. So verbraucht ein durchschnittlicher US-Bürger im Verlauf seines Lebens Mineralien, Metalle und Brennstoffe, die sein Körpergewicht um das 22.000-Fache übersteigen (1.343 Tonnen). Selbst ein Umstieg auf 'grünere' Technologien würde daran wenig ändern. Dem Report zufolge bedarf es vielmehr eines schonenden Umgangs mit den Ressourcen und eines tief greifenden Wandels der Konsumgewohnheiten.

"Die Untersuchung zeigt eindringlich, wie sich die Spielregeln im letzten Jahrzehnt verändert haben: beim Raub von Land und Ressourcen dringt man immer tiefer in die Erde ein ", sagte Nnimmo Bassey von den 'Friends of the Earth' in einer Pressemitteilung. "Die verheerenden Auswirkungen auf die Ökosysteme und Gemeinschaften müssen als internationale Verbrechen anerkannt und entsprechend bestraft werden." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.gaiafoundation.org/executive-summary-opening-pandoras- box
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106929

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2012