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LANDRAUB/027: Indigene - Landrechte weiterhin ignoriert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2014

Indigene: Landrechte weiterhin ignoriert

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Ein von Indigenen auf der indonesischen Insel Lombok bewohnter Wald
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo/Bali, 30. Oktober (IPS) - Die Missachtung indigener Landrechte kostet Unternehmen jedes Jahr Millionen US-Dollar, die traditionellen Landeigentümer oftmals das Leben. Wie aus einem am 30. Oktober veröffentlichten Bericht der 'Rights and Resources Initiative' (RRI) mit Sitz in Washington hervorgeht, werden riesige Waldflächen und Schutzgebiete in Schwellenländern ohne vorherige Rücksprache mit den dort seit Generationen lebenden indigenen Gemeinschaften kommerziell genutzt.

Die Praxis, Konzessionen an den betroffenen Gemeinschaften vorbei zu vergeben, sei auf jeden Fall ein ernst zu nehmendes Menschenrechtsproblem, das sich in finanzieller Hinsicht äußerst negativ auf die beteiligten Unternehmen auswirken könne, heißt es in dem Papier. Obwohl gern so getan werde, als seien die an Unternehmen vergebenen Areale unbewohnt, lebten auf 99 Prozent dieser Flächen Indigene.

In vielen Fällen gelten die Konzessionen für riesige Gebiete. In Peru beispielsweise sind es 40 Prozent und in Indonesien 30 Prozent der Landesfläche. Im Fall des 1,8 Millionen Quadratkilometer großen Indonesiens befinden sich 500.000 Quadratkilometer in der Hand von Konzessionären.


Auseinandersetzungen programmiert

"In den meisten Fällen klammern die Regierungen die Indigenen aus den Konzessionsverhandlungen aus, um Komplikationen zu vermeiden", meint Bryson Ogden, ein für den Privatsektor zuständiger RRI-Analyst. Doch wenn irgendwann die Bergbau- oder Infrastrukturprojekte anlaufen, kommt es unvermeidlich zu Kollisionen zwischen Firmenmitarbeitern und den Gemeinschaften, die das gleiche Areal für sich als Heimat beanspruchen.

Der finanzielle Schaden, der aus solchen Konfrontationen entsteht, ist bisweilen beträchtlich. Die 'U.S. National Academy of Science' hat berichtet, dass ein Unternehmen in nur einem Jahr einen finanziellen Verlust von 100 Millionen Dollar erlitten hatte, weil Auseinandersetzungen mit einer indigenen Gemeinschaft zu Arbeitsunterbrechungen führten. Der Name der Firma wurde nicht genannt.

Eine von 'Credit Suisse' vorgenommene Abschätzung der Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken für den australischen Börsenmarkt im Jahr 2012 stellte Aktieneinbrüche im Wert von 21,4 Milliarden australischen Dollar (rund 14,9 Milliarden US-Dollar) fest. Trotz solcher Erkenntnisse ist es nach wie vor Usus, die indigenen Gemeinschaften beim Abschluss von Konzessionen zu ignorieren, kritisiert Ogden vom RRI.

Die Unsichtbarkeit der Indigenen zieht häufig Gewalt nach sich, wie Mitte Oktober in Süd-Kalimantan, im indonesischen Teil der Insel Borneo, geschehen, wo Proteste in schwere Gefechte zwischen Polizei und Aktivisten übergingen, wie Mina Setra, Vizegeneralsekretärin der Indonesischen Allianz der indigenen Völker des Archipels (AMAN) berichtet.

Solche gewalttätigen Auseinandersetzungen sind keine Seltenheit. 'Global Witness', eine auf Umweltrechte spezialisierte Organisation, legte in diesem Jahr einen Bericht vor, aus dem hervorgeht, dass zwischen 2002 und 2013 mindestens 903 Menschen, die sich für den Umweltschutz engagiert hatten, den Tod fanden. In dieser Zeitspanne wurden auf den Philippinen 41 Menschen getötet, weil sie sich gegen die Interessen des Bergbausektors gestellt hatten. Und allein 2012 standen 68 Prozent aller mit Landrechten in Verbindung gebrachten Morde in Brasilien in Zusammenhang mit Disputen über die drohende Entwaldung des Amazonasgebietes.


Rechtsverbindlichkeit gefordert

Aus dem gleichen Bericht geht hervor, dass es den bedrohten Aktivisten an lokalen und internationalen Netzwerken fehlt, die auf sie zugeschnitten sind, um sie besser schützen zu können. "Das Problem, mit dem wir uns konfrontiert sehen, ist nach wie vor die fehlende Bereitschaft, die Rechte der indigenen Völker anzuerkennen", sagt Setra von AMAN.

Seit fast vier Jahren setzen sich AMAN und andere Umweltorganisationen dafür ein, dass das indonesische Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass die Rechte der indigenen Gemeinschaften verbindlich anerkennt. Es hätte im Oktober gebilligt werden sollen. Doch nach dem Regierungswechsel müssen die Aktivisten wieder von vorn anfangen, wie Setra berichtet.

Ogden zufolge werden sich internationale Unternehmen zunehmend der Tatsache bewusst, dass indigene Gemeinschaften Landrechte besitzen. Doch Setra ist wenig zuversichtlich, dass in Abwesenheit konkreter Gesetze, die die Landrechte der Indigenen anerkennen, die Vertragsabschlüsse mit dem Wissen und der Zustimmung der traditionellen Landbesitzern erfolgen werden.

Für Umweltschützer ist die Arbeit in der Grauzone lebensgefährlich. Aleta Baun ist ein Beispiel dafür. Die indonesische Aktivistin aus Westtimor, dem indonesischen Teil der Insel Timor, startete im Jahr 2000 eine Kampagne gegen Bergbauaktivitäten, die sich negativ auf das Leben ihrer indigenen Gemeinschaft der Molo ausgewirkt hatten. Sie wurde überfallen, niedergestochen und mit Tod und Vergewaltigung bedroht.

"Die meiste Zeit bist du schutzlos und hast es mit Personen oder Gruppen zu tun, die jede Menge Geld besitzen oder die die Unterstützung der Behörden genießen", sagt die Gewinnerin des Goldman-Umweltpreises von 2013.

Im brasilianischen Paracatu sah sich der kanadische Goldproduzent 'Kinross', der mehr als 570 Millionen Dollar in das größte Goldprojekt des südamerikanischen Landes investieren will, seit 2008 mehrfach gezwungen, die Bergbauarbeiten infolge von Konflikten mit den traditionellen Gemeinschaften zu unterbrechen.

In Peru mussten zwei Staudammprojekte nach massiven Protesten und rechtlichen Schritten der indigenen Ashaninka an den Flüssen Ene und Tambo aufgegeben werden. Die Vorhaben hätten zur Vertreibung von 8.000 bis 10.000 Menschen geführt.

Im Jahr 2008 sah sich die Tata-Gruppe aufgrund von Protesten genötigt, eine Investition in Höhe von 350 Millionen Dollar im indischen Bundesstaat Westbengalen aufzugeben. Dort wollte das Unternehmen sein Vorzeigeprojekt, den Nano-Kleinwagen, produzieren.

Dem RRI-Report zufolge werden die kommunalen Rechte auf Wälder und andere Gebiete zunehmend zu einem Wirtschaftsfaktor. "Die Auseinandersetzung mit dem Problem hat uns zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass lokale Bevölkerungsgruppen 'nicht anerkannte Vertragspartner' sind, die sich häufig rechtlicher Mittel bedienen, um ihren Streit mit den Konzessionären zu lösen. Das legt nahe, dass das rechtliche Gewicht der lokalen Gemeinschaften durchaus beträchtlich sein kann, auch wenn Regierungsstellen und Konzessionäre den Indigenen in ihren Abkommen keine Bedeutung beimessen."

Doch bis den indigenen Völkern die Landrechte zugestanden werden, auf die sie Anspruch erheben, sehen sie sich in einer Art David-gegen-Goliath-Konstellation gefangen, die sich nicht sehr oft zu ihren Gunsten entscheidet. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/they-say-the-land-is-uninhabited-but-indigenous-communities-disagree/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2014