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FORSCHUNG/380: Wir haben keine Zeit mehr zu diskutieren (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser

Wir haben keine Zeit mehr zu diskutieren


Seit 2010 ist Wasser als Menschenrecht anerkannt. Einklagbar ist dieses Recht nicht. Was ist zu tun, damit sich für die eine Milliarde Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, etwas ändert?

Unabhängig davon, ob dieses Menschenrecht völkerrechtlich verbindlich ist oder nicht, ist mit dieser Anerkennung durch die Vereinten Nationen ein deutliches Signal gesetzt worden: Das Thema Wasser mit allen seinen Querbezügen muss noch viel stärker in unser Bewusstsein rücken. Bereits die in Johannisburg 2002 beschlossenen Milleniums-Entwicklungsziele beinhalten eine deutliche Verbesserung des Zugangs zu sauberem Trinkwasser und eine adäquate menschenwürdige Abwasserbeseitigung. Das werden wir bis 2015 nicht schaffen. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen, und zwar aller - der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft.

Die Wirtschaft und die Politik haben sich lange Zeit gegen das Menschenrecht auf Wasser gesträubt. Wasser ist aber keine Ware - wie Strom, Gas oder Öl.

Wir dürfen die Debatte um das Menschenrecht auf Wasser nicht ideologisch überhöhen - weder von sozialer noch von wirtschaftlicher Seite. Das trägt nicht dazu bei, Probleme zu lösen. Es gibt einen breiten internationalen Konsens, dass es kein privates Eigentum an Wasservorkommen - egal wo auf dieser Welt - geben darf. Aber es muss möglich sein, die Bewirtschaftung, also die Wasserver- und Abwasserentsorgung, in private Hände zu legen. Ein wirklich gutes Beispiel ist Phnom Penh, die Hauptstadt Kambodschas. Dort ist es gelungen, das gesamte Wasserversorgungssystem zu erneuern, kosteneffiziente Abrechnungs- und Inkassosysteme sowie ein erstklassiges Management einzuführen, um alle Einwohner der Stadt mit Wasser zu versorgen. Dafür wurde die Wasserbehörde mit dem "Stockholm Industry Water Award 2010" ausgezeichnet. Das Beispiel zeigt, es geht, wenn der politische Wille da ist, und die Menschen spüren, es wird besser.

Warum fehlt immer noch das öffentliche Bewusstsein für die globale Wasserknappheit?

Wir haben keine globale Wasserknappheit. Es handelt sich um regionale Wasserkrisen in der arabischen Welt, in großen Teilen Afrikas, Asiens, Südamerikas und immer mehr auch im Süden Europas. Insofern ist die Wasserdebatte eine andere als die Klimadebatte, bei der ein globales Regime dazu beitragen kann, nationale Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Gase zu initiieren. Beim Klima reden wir außerdem über Szenarien für 2040, 2050 oder gar 2100. Bei der Wasserfrage haben wir in vielen Teilen der Welt einfach keine Zeit mehr, noch zu diskutieren, was zu tun ist. Hier ist es eine Minute vor Zwölf. Die Wasserkrise ist eine Governancekrise. Wir müssen das Integrierte Wasserressourcenmanagement (IWRM) flächendeckend und sektorübergreifend umsetzen, um endlich nachhaltig mit der Ressource Wasser umzugehen. Dazu brauchen wir auch einen Paradigmenwechsel. Bisher folgt das Angebot der Nachfrage nach Wasser. Wassermanagement muss aber die Nachfrageseite so organisieren, dass alle Potenziale von Einsparung oder Verteilung ausgenutzt sind und erst dann das Angebot erhöht wird. Der Druck kommt nicht primär vom Klimawandel. Bevölkerungswachstum, Energiebedarf, Landwirtschaft und Industrie sind die wirklichen Pressures. Häufig liegen die Probleme einfach in schlechtem Wassermanagement.

Worin sehen Sie dabei die größten Aufgaben für die Forschung?

1. In vielen Wasserkrisenregionen handelt es sich um eine Krise der Wassergovernance. Für gutes Management sind gute Verwaltung, gute Gesetzgebung notwendig. Wir benötigen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft aber auch innovative Technologien. Deshalb besteht die Herausforderung für die Forschung darin, die notwendigen Brücken zwischen der Wassergovernance, den Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften zu bauen.

2. Die Wasserforschung hat sich bisher ganz traditionell mit den unmittelbaren Fragen aus dem Wassersektor befasst. Wir brauchen also eine Wasserforschung, die die wasserabhängigen oder wasserrelevanten Sektoren der Wirtschaft einbezieht, die Wechselbeziehungen analysiert und Lösungsoptionen aufzeigt.

3. Deutschland und Europa haben eine etablierte klassische Wasserforschung, die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung im Wasserkreislauf aufklärt. Wir entwickeln auch sehr anspruchsvolle technologische Lösungen. Aber nach wie vor haben wir über weite Strecken Defizite, unser hoch kompetentes Wissen auch angepasst in Ländern der Dritten Welt umzusetzen - und zwar so, dass die Menschen in diesen Ländern damit umgehen können. Ich bin zuversichtlich, dass die vom UFZ initiierte Water Science Alliance (siehe S. 28) ganz entscheidend dazu beitragen wird, diese Aufgaben zu lösen.

Das Interview führte Doris Böhme


Ministerialdirigent Dr. Fritz Holzwarth ist zuständig für die Unterabteilung Wasserwirtschaft im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Aufgabenschwerpunkte sind fachliche und rechtliche Fragen der nationalen und internationalen Wasserwirtschaft und des Meeresschutzes.


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Quelle:
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser, S. 24
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2011