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FORSCHUNG/469: Pilotanlage zur Entfernung extremer Gasladung im Tiefenwasser installiert (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 18. Dezember 2014

Pilotanlage zur Entfernung extremer Gasladung im Tiefenwasser installiert

von Tilo Arnhold



Puebla del Guzman (Andalusien)/Magdeburg. Der Guadiana-See im ehemaligen Herrerias-Tagebau in Andalusien hat im Tiefenwasser hohe Konzentrationen von Kohlendioxid angesammelt, welche bei einer plötzlichen Freisetzung Menschen in der Nähe gefährden können. Wissenschaftler des Spanischen Instituts für Geologie und Bergwesen (IGME), der University of the Basque Country (UPV/EHU, Bilbao) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun eine Pilotanlage zur Entgasung installiert, um die Gefahr zu demonstrieren und eine mögliche Lösung aufzuzeigen.

Foto: © Bertram Boehrer/UFZ

Guadiana-See im ehemaligen Herrerias-Tagebau in Andalusien.
Foto: © Bertram Boehrer/UFZ

"Das Wasser am Grund des Guadiana-Restsees enthält ungewöhnlich viel Kohlendioxid (CO2), weil durch die Oxidation von Erzen ein sehr saures Milieu entstanden ist. Ein Problem, das auch aus den Tagebaurestseen der Lausitz und Mitteldeutschlands bekannt ist. Im Herrerias-Tagebau löst die Säure Karbonat aus dem Gestein, und es entsteht Kohlensäure (also gelöstes CO2), die sich in tiefen Schichten des Wassers ansammelt, weil der See unterhalb von 25 Metern Tiefe kaum durchmischt wird", erklärt Dr. Bertram Boehrer vom UFZ. Der Physiker untersucht seit Jahren die Schichtungen in Seen weltweit. Durch den Wasserdruck in diesen Tiefen enthält jeder Liter Tiefenwasser etwa 2,5 Liter gelöstes Kohlendioxid. Solange die Wasserschichten stabil sind, wird das Gas in der Tiefe gehalten. Ein Erdrutsch oder andere Prozesse, die große Wasserbewegungen auslösen, können aber dafür sorgen, dass eine große Menge des unter Druck angestauten Gases plötzlich freigesetzt wird. In der Atemluft gelten CO2-Konzentrationen ab acht Prozent für den Menschen als tödlich.

Die Wissenschaftler installierten daher ein Entgasungsrohr, das den Kern der neuen Pilotanlage bildet. Diese funktioniert folgendermaßen: Wasser fließt in 61m Tiefe in eine Röhre. Auf dem Weg nach oben fällt der hydrostatische Druck und das gelöste Gas bildet Blasen. Die geringere Dichte des Wasser-Gas-Gemisches sorgt dafür, dass es nach oben aus dem Rohr gedrückt wird, sich so das Tiefenwasser als Springbrunnen über die Oberfläche ergießt und dabei das Gas frei gibt. Eine elegante Lösung, schließlich braucht man keinen zusätzlichen Antrieb, und die kontrolliert freigesetzten Gasmengen stellen keine Gefahr dar. "Wir konnten damit zeigen, dass dieser Ansatz im Guadiana-See funktioniert und damit den Behörden einen Vorschlag unterbreiten, wie dieser See saniert und eine Bedrohung beseitigt werden könnte", berichtet Bertram Boehrer. Zwar ist der See in der ehemaligen Erz-Mine abgesperrt und der Zutritt verboten, das Verbot lässt sich aber kaum überwachen.

Als Vorbild für die Installation in Spanien diente die Entgasung des Nyos-Sees in Kamerun. Dort wurde vor wenigen Jahren von anderen Wissenschaftlern eine vergleichbare Technologie erprobt. Im August 1986 hatten sich dort ohne Vorwarnung große Mengen an Kohlendioxid plötzlich aus dem Wasser gelöst und waren in die umliegenden Täler geströmt. Etwa 1700 Menschen und Tausende Tiere starben. Als Auslöser wurde ein Erdrutsch vermutet. Um einer Wiederholung einer solchen Katastrophe vorzubeugen, wird diesem See langsam seine hohe Gasladung entzogen. An einem weiteren Kratersee, dem Monoun-See in Kamerun, erstickten1984 37 Anwohner in Ufernähe bei einem ähnlichen Ausbruch. Inzwischen wird auch dort das Kohlendioxid per Fontaine aus dem See entfernt.

Vom Guadiana-Restsee drohe aber nicht dieselbe Gefahr wie vom Nyos- und vom Monoun-See. Das liegt allein schon an unterschiedlicher Größe und Tiefe, außerdem vermindert ein großer Dichteunterschied zwischen Tiefenwasser und Oberflächenwasser die Gefahr für einen Ausbruch. Allerdings seien die Gaskonzentrationen so hoch, dass Vorsicht und eine angemessene Besorgnis angebracht sind und genauere Beobachtungen der Entwicklung und Überlegungen zur Sanierung dringend unternommen werden müssen, schlussfolgert Bertram Boehrer. Für deutsche Tagebauseen sieht der Wissenschaftler dagegen keine derartige Gefahr. Denn für Gaskonzentrationen wie im spanischen Guadiana-See sind drei Faktoren verantwortlich: eine ausreichende Tiefe des Sees, eine fehlende Zirkulation des Wassers zwischen den kalten und warmen Jahreszeiten (Meromixis) und eine starke Quelle für Kohlendioxid. Das ist im Moment bei keinem See in Deutschland so gegeben.

Publikation:
Sánchez-España, J., Boehrer, B., Yusta, I. (2014): Extreme carbon dioxide concentrations in acidic pit lakes provoked by water/rock interaction. Environ. Sci. Technol. 48 (8), 4273 - 4281.
http://dx.doi.org/10.1021/es5006797


Weiterführende Links:
Proyecto de Investigación en Corta Guadiana (auf spanisch):
http://www.asociacionherrerias.com/es/noticias/a%C3%B1o-2014/291-proye
Untersuchungen zur Schichtungsentwicklung und komplexe Schichtungsmodellierung in Tagebauseen
http://www.ufz.de/index.php?de=1797
Auswirkungen des Klimawandels auf Seen
http://www.ufz.de/index.php?de=17265
Nyos-See
http://de.wikipedia.org/wiki/Nyos-See
Zähmung eines Killersees (ARD-Beitrag über den Nyos-See in Kamerun)
http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/videos/zaehmung-eines-killersees-104.html
Monoun-See
http://de.wikipedia.org/wiki/Manoun-See

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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 18.12.2014
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014