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GESCHÄFTE/050: Berliner Preissenkungsverfügung "Kein Grund zum Jubeln" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 996, vom 11. Juni 2012, 31. Jahrgang

Bundeskartellamt: Berliner Wasserbetriebe müssen Preise senken



Die Bemühungen, die Wasserversorger einer Preisregulierung zu unterwerfen (s. RUNDBR. 940/1-39), haben im Juni 2012 eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 5. Juni hat das Kartellamt nach einigem Vorgeplänkel (s. 956/4) eine definitive Preissenkungsverfügung gegen den größten deutschen Wasserversorger erlassen: Die halbprivaten Berliner Wasserbetriebe (BWB) müssen ihre Wasserpreise für das Jahr 2012 um 18 Prozent und in den kommenden drei Jahren um 17 Prozent senken. In der ersten Abmahnung durch das Kartellamt war bis 2014 eine Absenkung um 19 Prozent gefordert worden. Wegen der umfangreichen Einwände ging das Kartellamt den Fall aber noch einmal durch - und kam im April 2012 mit einer Preissenkungsverfügung von 21 Prozent zu einem noch schlechteren Ergebnis für die Wasserbetriebe. Mit der Preissenkungsverfügung vom 5. Juni 2012 wurde die Absenkungsrate nunmehr zu Gunsten der BWB nach unten korrigiert. Das Bundeskartellamt ließ es "ausdrücklich" offen, ob es außerdem noch eine rückwirkende Preissenkung für die Jahre 2009 bis 2011 verfügen wird. Die Preissenkungsverfügung hat die Folge, dass für den Zeitraum von 2012 bis 2015 die BWB ihre Erlöse um insgesamt ca. 254 Millionen Euro absenken müssen. Für das Bundeskartellamt mache das Ergebnis dieses Verfahrens deutlich, "wie wichtig eine konsequente Kontrolle der Kartellbehörden in der Wasserversorgung ist". Das Bestreben der Kartellbehörden, die Wasserversorger in ihr Regulierungsregime einzubeziehen, wird auch an folgender Aussage des Präsidenten des Bundeskartellamtes, ANDREAS MUNDT, deutlich: "Soweit es der Wettbewerb, wie offenkundig in monopolisierten Wirtschaftsbereichen, nicht richten kann, ist eine effektive Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden unverzichtbar." Das Verfahren des Bundeskartellamtes gegen die BWB war im März 2010 auf Grund einer Aufforderung durch den damaligen Berliner Wirtschaftssenator HARALD WOLF (LINKE) eingeleitet worden (s. 956/4).

Wasserpreise in Berlin sind "missbräuchlich" überhöht

Zur Begründung für seine Preissenkungsverfügung gab das Kartellamt an, dass die Preise in Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten deutlich überhöht seien. Um den Tatbestand "missbräuchlich überhöhter Trinkwasserpreise" nachzuweisen, hatte das Bundeskartellamt die Berliner Wasserpreise mit den Wasserpreisen in den Vergleichsunternehmen HamburgWasser, Stadtwerke München und Rhein-Energie Köln verglichen. Bei dem Erlösvergleich hat das Bundeskartellamt die durch die Wiedervereinigung bedingten Zusatzkosten der BWB (u. a. für die Sanierung des Ost-Berliner Wassernetzes) als berücksichtigungsfähige Mehrkosten im Vergleich zu den Unternehmen aus Hamburg, München und Köln anerkannt. (Die hohen Kosten für die Sanierung des maroden und überdimensionierten Netzes in Ostberlin waren von den BWB immer wieder als ein Grund dafür genannt worden, dass die Wasserpreise höher als in westdeutschen Kommunen zu liegen kämen.) Die Versorgungsbedingungen in Hamburg, München und Köln seien nach Auffassung des Bundeskartellamtes ansonsten "strukturell mit Berlin vergleichbar". Zu seinem Erlösvergleich hatte das Bundeskartellamt am 05.06.12 u.a. ausgeführt: "Im Rahmen der Ermittlungen hat sich das Bundeskartellamt intensiv mit den Kosten und den Versorgungsbedingungen in den verschiedenen Städten befasst. Insbesondere wurden die Kosten für die in Deutschland sehr gute Trinkwasserqualität geprüft. Alle Wasserversorger unternehmen hier große Anstrengungen. Berlin hat nach der Auffassung der Behörde insofern keine höheren Aufwendungen als Hamburg, Köln oder München. Qualitativ hochwertiges Wasser ist in Berlin reichlich und gut zugänglich vorhanden. Die Bedingungen der Wasserverteilung sind in Berlin ebenfalls sehr günstig."

Die Berliner Wasserbetriebe sind derzeit noch ein Gemeinschaftsunternehmen von Land Berlin, RWE und dem französischen Umweltdienstleistungs-Multi VEOLIA.

Die Wasserbetriebe bezweifeln die Zuständigkeit des Kartellamtes. Gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes wollen die Wasserbetriebe juristisch vorgehen. Vor dem für Kartellauseinandersetzungen zuständigen Oberlandesgericht in Düsseldorf wollen die BWB geklärt wissen, ob das Bundeskartellamt überhaupt eine Zuständigkeit für die Festsetzung von Wasserpreisen in Berlin hat. Der BWB-Vorstand verweist darauf, dass die Berliner Wasserbetriebe traditionell ihre Preise von der Berliner Preisprüfungsbehörde bestätigen lassen. Demgegenüber sei die Prüfung des Kartellamtes nach einem ganz anderen rechtlichen Konzept aufgebaut. Die Frage, ob zusätzlich zum Berliner Landesrecht mit seinen staatlichen Kontrollmechanismen auch das Kartellrecht des Bundes zu beachten ist, müsse aus Sicht des Unternehmens abschließend geklärt werden. Diese gerichtliche Klärung habe der Präsident des Bundeskartellamts Ende April 2012 in Berlin ebenfalls als sinnvoll und wünschenswert bezeichnet, um Rechtssicherheit zu schaffen. Der BWB-Vorstandsvorsitzende JÖRG SIMON beteuerte, dass die BWB "nicht gegen eine Senkung des Tarifs" seien. Allerdings bleibe für die BWB "die rechtliche Klarstellung unabdingbar, auf welcher Basis dies geschehen soll".

Juristisches Gerangel um die Privatanteile an den BWB

In unruhigem Fahrwasser sind die Berliner Wasserbetriebe derzeit noch in anderer Hinsicht. Der Miteigner RWE hat den Spaß am Wassergeschäft in Berlin verloren, und will seinen Anteil an das Land Berlin rückveräußern (s. RUNDBR. 970/2-3). Das passt allerdings dem Miteigner VEOLIA nicht ins Konzept. Der französische Wasserriese befürchtet offenbar, dass er nach einem Rückverkauf der RWE-Anteile als Minderheitsaktionär seinen bestimmenden Einfluss auf das Berliner Wassergeschäft verlieren könnte. VEOLIA ist deshalb gegen den beabsichtigten Verkauf der RWE-Anteile juristisch vorgegangen. Veolia hatte argumentiert, dass mit der Rückübertragung der RWE-Anteile das bisherige Gleichgewicht von Rechten und Pflichten zwischen dem Land Berlin und den beiden privaten Gesellschaftern zerstört würde. Mit dieser Meinung ist VEOLIA allerdings vor Gericht Ende Mai 2012 zunächst ein Mal gescheitert. VEOLIA und RWE hatten im Jahr 1999 jeweils 24,95 Prozent an dem Landesbetrieb übernommen. (Der Allianz-Konzern, der ursprünglich auch mit von der Partie war, hatte seinen Zehnprozent-Anteil an den BWB schon recht bald an RWE und VEOLIA abgetreten.) Nachdem in der Berliner Öffentlichkeit eine starke Bewegung für eine Rekommunalisierung der BWB entstanden war, will jetzt auch die Berliner Politik die Anteile der privaten Miteigner zurückkaufen, um wieder mehr Einfluss auf das Unternehmen zu bekommen. Für die Kritiker der Teilprivatisierung sind die damals abgeschlossenen Verträge mit RWE und VEOLIA der Hauptgrund für die hohen Wasserpreise in der Hauptstadt.

(Die oben stehenden "BWB-Notizen" basieren auf Berichten auf der Homepage www.rbb-online.de, auf einer Pressemitt. der BWB vom 05.06.12 sowie auf der Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 05.06.12.)

Berliner Preissenkungsverfügung: "Kein Grund zum Jubeln"

Unzufrieden mit der Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes zeigten sich die Berliner Wasserbürger, die das Volksbegehren zur Offenlage der Teilprivatisierungsverträge initiiert hatten (s. RUNDBR. 958/1-2). Wer glaube, dass durch die Preissenkungsverfügung die privaten Anteilseigner auf ihre Gewinne verzichten werden, der irre sich "gewaltig", heißt es auf der Homepage der Wasserbürger - denn die Gewinnausfallgarantie des Konsortialvertrages sei nicht Bestandteil der kartellrechtlichen Prüfung gewesen. Die Wasserbürger befürchten deshalb, "dass die Preissenkungsverfügung zu Lasten des Haushalts und mit einer rigorosen Sparpolitik zu Lasten der Mitarbeiter durchgesetzt werden" könnte. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abwassertarife - quasi kompensatorisch - sukzessive angehoben werden.

"Daher besteht kein Grund für Jubelrufe, im Gegenteil: Solange die vom Volksentscheid intendierte Prüfung und Anfechtung der Verträge nicht in den Mittelpunkt der medialen Berichterstattung gestellt wird, solange besteht leider nicht der geringste Anlass zur Hoffnung."

Ferner kritisieren die Wasserbürger, dass in Berlin niemand "den längst überfälligen Tabubruch begehen und die Kernfrage stellen" wolle: "Warum halten wir bei unserem wichtigsten Grundnahrungsmittel immer noch am Prinzip der Gewinnerwirtschaftung fest?" Die Kritiker der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erinnern daran, dass das Bundeskartellamt die Wasserpreise in den nächsten 3 Jahren um insgesamt 254 Mio. Euro senken wolle, dass aber in den letzten drei Jahren 756 Mio. Euro an Gewinnen ausgeschüttet worden seien. Die Wasserbürger plädieren deshalb dafür, sich über ein neues Volksbegehren bzw. über ein neues Volksgesetz vom Prinzip der Gewinnerwirtschaftung zu verabschieden. Die Wasserbürger sprechen sich auch dafür aus, dass das Berliner Abgeordnetenhaus die Teilprivatisierungsverträge von 1999 juristisch anfechten sollte. Nicht zufrieden sind die Wasserbürger deshalb mit einem Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentarischen Dienstes, in dem festgestellt wird, dass kein juristischer Hebel erkennbar sei, die Teilprivatisierungsverträge anzufechten. Ein "Arbeitskreises unabhängiger Juristen" (AKJ), der den Wasserbürgern zuarbeitet, war zuvor zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen. Der AKJ hatte sogar einen Leitfaden für klagewillige Mitglieder des Abgeordnetenhauses erarbeitet. Juristen aus dem Umfeld des AKJ hatten darüber hinaus ihre Bereitschaft erklärt, basierend auf dem Leitfaden für klagebreite Abgeordnete kostenfrei eine entsprechende Organklage zu konzipieren. Die Wasserbürger zeigen sich deshalb sehr verärgert, dass der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses die Initiative für eine Organklage gegen den Teilprivatisierungsvertrag nicht aufgreift.

"Die BWB-Teilprivatisierung gerichtlich anfechten!"

Misstrauisch reagieren die Berliner Wasserbürger auch auf das Vorhaben des Senates, für den Rückkauf des RWE-Anteils an den Berliner Wasserbetrieben Hunderte von Millionen Euro an den Essener Energiemulti über den Tisch schieben zu wollen. Gemeinsam mit dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), dem Bund der Steuerzahler Berlin und dem Umweltverband GRÜNE LIGA Berlin unter Mitwirkung des Arbeitskreises unabhängiger Juristen (AKJ) haben die Wasserbürger dem Berliner Finanzsenator am 30. Mai 2012 deshalb einen offenen Brief geschrieben. In dem Schreiben begehren die Wasserbürger um Auskunft, warum der Senat mit dem RWE-Konzern um Millionen Euro pokert, ohne die Prüfung abzuwarten, ob die Teilprivatisierungsverträge rechtlich überhaupt Bestand haben. Dass hieran Zweifel angebracht seien, könne u.a. daraus abgeleitet werden, dass die EU-Kommission inzwischen ein Vorprüfungsverfahren eingeleitet habe. Das Verfahren gehe auf eine Beschwerde des "Arbeitskreis unabhängiger Juristen" unter dem Dach des Umweltverbandes GRÜNE LIGA Berlin e.V. zurück. Der Arbeitskreis hatte in enger Zusammenarbeit mit der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland und der Verbraucherzentrale Berlin gegenüber der Europäischen Kommission ein Beschwerdeverfahren wegen Verstoßes gegen das europäische Beilhilfe- wie Vergaberechts initiiert - Tenor: Auf Kosten der öffentlichen Hand - sprich der Berliner Wasserkunden - könnten sich VEOLIA und RWE im konkurrenzfreien Wassermarkt nach Belieben mästen. Die Wasserbürger zeigen sich überzeugt, "dass erst die gerichtliche Vertragsanfechtung die Voraussetzung liefert, um eine vorteilhafte Ausgangsposition für eine kostengünstige Rekommunalisierung zu erreichen, für das Land Berlin, den Haushalt und die Berliner Verbraucher". Im Namen von 660.000 Berlinerinnen und Berlinern, die sich im Volksentscheid für eine Offenlegung der Teilprivatisierungsvertäge ausgesprochen hatten, heißt es in dem offenen Brief an den Finanzsenator weiter: "Sie werden daher unsere Verwunderung verstehen, wenn wir aus der Presse entnehmen, dass die Verhandlungen um einen Rückkauf der RWE-Anteile kurz vor dem Abschluss stehen, ohne dass zuvor entscheidende Schritte zur Vertragsprüfung und Vertragsanfechtung vollzogen wurden."

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 996
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2012