Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → WASSER


MELDUNG/149: Schweiz - Drastische Erhöhung des Glyphosat-Grenzwertes (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1123, vom 24. Januar 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Schweiz: Drastische Erhöhung des Glyphosat-Grenzwertes


In der Schweiz herrscht derzeit helle Aufregung, weil die Behörden beabsichtigen, den Grenzwert für Glyphosat in den Gewässern um den Faktor 3.600 anzuheben. Wie auch in Deutschland und in der EU gilt bis jetzt in der Eidgenossenschaft für alle Pestizide in Gewässern unterschiedslos ein pauschaler Grenzwert von 0,1 µg/l. Von diesem pauschalen Einheitswert wollen die Schweizer Gewässerschutzbehörden jetzt wegkommen, um differenzierter ans Werk gehen zu können. Wie das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf seiner Homepage erklärt, würde der pauschale Einheitswert "die Gefährdung der Gewässer nicht ausreichend" beschreiben. Der pauschale Vorsorgewert von 0,1 µg/l würde nichts darüber aussagen, ob und ab welcher Konzentration die einzelnen Stoffe für die Wasserlebewesen tatsächlich schädlich seien. Neue wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, "dass einige Chemikalien bei tieferen, andere bei höheren Konzentrationen als dem heutigen Einheitswert die Gewässerlebewesen schädigen". Ein im Dezember 2017 in eine öffentliche Anhörung gegangener Verordnungsentwurf schlägt vor diesem Hintergrund neue Grenzwerte für 55 Chemikalien vor:

"Für die Substanzen mit der höchsten Giftigkeit für Wasserlebewesen sollen konsequenterweise die tiefsten Grenzwerte gelten. Sind diese Grenzwerte in einem Bach oder Fluss nicht überschritten, werden empfindliche Wasserlebewesen von diesen Chemikalien nicht geschädigt. Überschreitet jedoch ein Stoff die Grenzwerte, sind Maßnahmen notwendig. (...) Die neuen Werte ermöglichen es nun, Maßnahmen gezielt für die für Wasserlebewesen wirklich problematischen Stoffe umzusetzen."

Die Anpassung der Grenzwerte an das tatsächliche Risikopotenzial führe u.a. dazu, dass man bei Glyphosat den Grenzwert von 0,1 µg/l auf 360 µg/l anheben könne. Die ökotoxikologischen Untersuchungen hätten nämlich gezeigt, dass Glyphosat in den Oberflächengewässern zu denjenigen Pestiziden gehören würde, die auch besonders empfindliche Wasserlebewesen "erst ab relativ hohen Konzentrationen schädigen" würden.

Mehr dazu kann auf der BAFU-Homepage unter [1]
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/ themen/thema-wasser/wasser--rechtliche-grundlagen/wasser--vernehmlassungen-und-anhoerungen/mikroverunreinigungen-grenzwerte-vernehmlassung.html
nachgelesen werden.

"Wir subventionieren unsere eigene Umweltzerstörung!"

Das Vorhaben des eidgenössischen Bundesamtes für Umwelt (BAFU) zur Anhebung des Glyphosat-Grenzwertes in Gewässern ist insbesondere bei den Initiatoren einer Volksinitiative "für sauberes Trinkwasser und gesunde Ernährung" auf geharnischte Kritik gestoßen. Die Initiative hat inzwischen rund 120.000 Unterschriften gesammelt, die am 18. Jan. 2018 in Bern an die Regierung und das Parlament übergeben worden sind. Die Initiative strebt eine weitgehend pestizidfreie Landwirtschaft in der Schweiz und einen stark reduzierten Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung an. Im Hinblick auf die konventionelle Landwirtschaft argumentiert die Initiative: "Wir subventionieren heute unsere eigene Umweltzerstörung!" Die WortführerInnen der Initiative betonen, dass man nicht vorhabe, die Bauern in die Enge zu treiben. Stattdessen greife man das System der bisherigen Subventionierungspolitik an. Diese würde völlig verfehlte Anreize setzten. "Die Schweizer Landwirtschaft ist industriell geworden. Sie erreicht kein einziges ihrer Umweltziele." Die Initiative stößt wiederum auf erbitterten Wiederstand der konventionell wirtschaftenden Landwirte in der Schweiz. Diese stufen die Ziele der Initiative als "Irrsinn" ein. Wer mehr über die Intentionen der eidgenössische Volksinitiative wissen will, kann sich wenden an:

Verein Sauberes Wasser für alle
c/o Franziska Herren
Oeleweg 8, CH-4537 Wiedlisbach
Tel.: 0041/32 636 14 16 / 079 829 09 19
info@sauberes-wasser-fuer-alle.ch
https://www.initiative-sauberes-trinkwasser.ch/

Wie "peinlich" ist die geplante Grenzwertanhebung für Glyphosat?

Unterstützt wird die zuvor genannte Initiative von Daniel Hartmann. "Hartmann war oberster Grundwasserschützer der Schweiz. 25 Jahre lang hat er beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) für saubere Gewässer gekämpft. 2014 hatte er «die Schnauze voll». Er ließ sich pensionieren, ohne sein Berufsziel erreicht zu haben: ein generelles Pestizidverbot in der Nähe von Trinkwasserfassungen. Jetzt berät er das Initiativkomitee als Gewässerexperte", berichtete die NZZ am 18.12.17 in einem großen Bericht über die Initiative. Als er im Verordnungsentwurf des BAFU die neuen Grenzwerte gesehen habe, sei Hartmann lt. NZZ "fast vom Stuhl gekippt". Der Kommentar von Hartmann: "Was mein ehemaliges Bundesamt jetzt macht, ist peinlich."

Beim BAFU verweist man demgegenüber darauf, dass man mit der jetzt vorgesehenen Grenzwert-Differenzierung bei den Pestiziden die gleiche Vorgehensweise wie bei den Schwermetallen anstrebe. Bei den Schwermetallen würden schon immer unterschiedliche Grenzwerte gelten, die sich nach den unterschiedlichen ökotoxikologischen Effekten der Schwermetalle gegenüber Gewässerorganismen richten würden. Ferner wird beim BAFU betont, dass sich am Vorsorgegrenzwert für 0,1 µg/l für alle Pestizide im Schweizer Trinkwasser nichts ändern werde.


[1] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/ themen/thema-wasser/wasser--rechtliche-grundlagen/wasser--vernehmlassungen-und-anhoerungen/mikroverunreinigungen-grenzwerte-vernehmlassung.html

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1123
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang