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MESSUNG/069: Neue Nitratkarte belegt extreme Grundwasserbelastung in Niedersachsen (VSR)


VSR-Gewässerschutz e.V. - 1. Dezember 2015

Neue Nitratkarte vom VSR-Gewässerschutz belegt extreme Grundwasserbelastung in Niedersachsen - besonders betroffen sind die Kreise mit hohen Tierzahlen


(Geldern, 1.12.2015) Besonders viele Überschreitungen des Grenzwertes der EU-Nitratrichtlinie stellte der VSR-Gewässerschutz in Niedersachsen fest. Im Rahmen des Projektes "Nitratbelastung der Gewässer" untersuchten die Gewässerschützer privat genutzte Brunnen. Die Ergebnisse ihrer Grundwasseruntersuchungen von 2012 bis 2015 wurden nun ausgewertet und in einer Karte dargestellt. Diese zeigt deutlich, dass bei der ausstehenden Novellierung der Düngeverordnung die Verbesserung der Grundwasserqualität im Vordergrund stehen muss. "Es ist unverständlich warum Politiker trotz dieser massiven Grundwasserbelastungen den wirtschaftlichen Interessen der Agrarlobby nachgeben und so die Novellierung verschleppen." so Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende im VSR-Gewässerschutz. Der aktuelle Entwurf der Düngeverordnung trägt nicht dazu bei, die Grundwasserqualität zu verbessern. Nicht nur die Geduld der Gewässerschützer ist am Ende, sondern auch die der EU-Kommission, die nun beginnt rechtliche Schritte gegen Deutschland einzuleiten.


Foto: © VSR-Gewässerschutz

Harald Gülzow im Labormobil beim Analysieren einer Wasserprobe
Foto: © VSR-Gewässerschutz

Die Nitratrichtlinie wurde eingeführt um EU-weit das Grundwasser vor Belastung aus landwirtschaftlichem Düngemitteleinsatz zu schützen. Besonders in den Regionen mit hohen Schweine-, Hühner-, Hähnchen- und Rinderbeständen treten gehäuft Überschreitungen des Grenzwertes dieser Richtlinie von 50 Milligramm pro Liter (mg/l) auf. Nach Messungen vom VSR-Gewässerschutz ist das Grundwasser der Region Weser - Ems besonders stark belastet. In weiten Bereichen der Kreise Cloppenburg und Oldenburg enthält jeder dritte Probe der untersuchten Brunnen Nitratkonzentrationen oberhalb des Grenzwertes. Im nördliche Kreisgebiet von Osnabrück liegen wie in Teilen vom Emsland in über 30% der Brunnen über dem Nitratgrenzwert. Im Kreis Vechta ist jede fünfte Probe zu stark belastet. Der höchste diesjährige Messwert in diesem Kreis lag sogar bei 265 mg/l. Viele Gartenbesitzer, in deren Brunnen bereits vor Jahren sehr hohe Nitratbelastungen festgestellt wurden, lassen das Wasser gar nicht mehr untersuchen, weil sie es nur noch zum Rasen sprengen verwenden. So liegt die tatsächliche Nitratbelastung im Raum Vechta wahrscheinlich noch wesentlich höher als die Auswertung der privaten Brunnen ergibt.

Ein gutes Nitratabbauvermögen im Grundwasser kann allerdings in manchen Kreisen heute noch die Auswirkungen der hohen Nitratauswaschung verschleiern. Besonders auffallend ist das im Kreis Leer und im nördlichen Kreisgebiet des Emslandes wo trotz der hohen Tierzahlen und Biogasanlagen nur wenige der vom VSR-Gewässerschutz untersuchten Brunnen den Grenzwert für Nitrat übersteigen. Trotz hoher Dürgerauswaschung ins Grundwasser kommt es dort nicht zu hohen Konzentrationen. Nitrat kann im Grundwasser unter Mithilfe von Bakterien abgebaut werden. Hohe Eisenkonzentrationen und Nitratkonzentrationen unter der Nachweisgrenze weisen auf einen guten Abbau mittels Pyrit, einer Eisen-Schwefel-Verbindung hin. Diese Verbindung wird von speziellen Bakterien genutzt um Nitrat aufzuspalten. Es entsteht Stickstoff, Eisen und Sulfat. Der Stickstoff gast aus und das Eisen verbleibt im Grundwasserleiter. "Unsere Untersuchungen auf Eisen zeigen, dass in den oben genannten Bereichen der Ems-Weser-Region mit den sehr geringen Überschreitungen des Nitratgrenzwertes flächendeckend hohe Eisenkonzentrationen festgestellt wurden. Das gute Nitratabbauvermögen im Grundwasser verhindert derzeit dass die hohen Nitratauswaschungen zu Belastungen im Grundwasser führen." so Susanne Bareiß-Gülzow. Doch es droht ein plötzlicher Nitratanstieg, wenn das Pyrit aufgebraucht ist. Innerhalb kurzer Zeit kann es dann zu einer Zunahme an Überschreitungen des Grenzwertes von 50 mg/l kommen. Leider gibt es bis heute keine Möglichkeit vorherzusagen, wann dies geschieht.

In Niedersachsen scheiden die Schweine, Rinder, Hühner und Hähnchen nach dem Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer Niedersachsen über 250.000 Tonnen Stickstoff jährlich aus. Mehr als die Hälfte davon fällt in der Ems-Weser-Region an. Um die gesetzlich zugelassene Stickstoffmenge von 170 kg/ha aus den Ausscheidungen von Tieren bei der Düngung nicht zu überschreiten, wird ein Teil davon in andere Regionen transportiert. Doch letztendlich landen immer noch größere Mengen als erlaubt auf den Flächen in der Ems-Weser Region, weil bis heute nur die schriftlichen Aufzeichnungen kontrolliert werden können. Der reale Verbleib der Gülle ist nicht kontrollierbar. Ein weiteres großes Problem stellt auch die Düngung mit Gärresten aus Biogasanlagen dar. In Niedersachsen fallen hier jährlich über 100.000 Tonnen Stickstoff an. Über ein Drittel davon entsteht auch noch in der Ems-Weser-Region. Da die größte Menge in Biogasanlagen anfällt, die Mais als Gärsubstrat verwenden, muss bei der Verteilung auf den Feldern keine Obergrenze eingehalten werden. Die Gärreste können somit zusätzlich auf die bereits mit Gülle gedüngten Flächen aufgebracht werden. Auf vielen Ackerflächen liegen durch die Gülle und Gärreste bereits wesentlich höhere Stickstoffgehalte vor als die Pflanzen aufnehmen können.

Trotzdem wird auch noch mit viel Mineraldünger gedüngt. Nach dem Statistischen Bundesamt werden in Niedersachsen über 280.000 Tonnen Stickstoff jährlich gekauft. Dieser wird zusätzlich auf die landwirtschaftlichen Flächen aufgebracht. Auch für diesen Dünger gibt es keine Obergrenze. Deutsche Landwirte dürfen mit so viel Mineraldünger düngen wie sie wollen. Da die Kosten für eine effiziente Gülle- und Gärresteaufbringung zum Teil höher liegen als der Einsatz von Mineraldünger, sinkt der Wert der Gülle und Gärreste für den Landwirt. Eine zu schwammige Gesetzeslage führt dazu, dass dieser vor allem nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf den Feldern aufgebracht und die dabei verloren gegangenen Stickstoffe durch Mineraldünger ersetzt werden. Die Stickstoffverluste landen im Grundwasser. Das haben niederländische Politiker bereits 2006 erkannt. Damals wurde wegen den hohen Stickstoffbelastungen und der Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie von der EU-Kommission auf eine Begrenzung der Gesamtstickstoffmenge von Gülle, anderen organischen Düngemittel und Mineraldünger gedrängt. Seitdem gelten in den Niederlanden Stickstoffobergrenzen abhängig von Boden und Pflanze. Grenzwerte für die Gesamtstickstoffbelastung sind klare Regeln, die auch kontrolliert werden können. In den Niederlanden müssen die Landwirte mit ihrer Gülle viel effizienter umgehen. Verlustärmere Ausbringungstechniken und Einschränkungen in der Möglichkeit hohe Stickstoffverluste durch Einsatz von mehr Mineraldünger auszugleichen haben dazu geführt, dass Gülle nicht zum Abfall verkommt, sondern einen Wert für die Landwirtschaft darstellt.

"Dagegen führen in Deutschland die gesetzlich zugelassenen viel zu hohen Stickstoffgaben immer noch zu massiven Nitratauswaschungen ins Grundwasser." so Susanne Bareiß-Gülzow. Der VSR-Gewässerschutz fordert nun von den Politikern eine Überprüfung wie viel Stickstoff in den Regionen mit vielen Massentierhaltungen tatsächlich auf den Ackerflächen und Grünland ausgebracht wird. Außerdem verlangt der Verein für alle Dünger zusammen Stickstoffobergrenzen für die unterschiedlichen Pflanzen wie in Niederlande festzulegen. Anstatt künftig Strafzahlungen an die EU zu leisten sollte das Geld lieber nachhaltig für Maßnahmen zur Verringerung der Nitratauswaschung verwendet werden.


Karte zeigt Nitratbelastung des Grundwassers in Niedersachsen - Grafik: © VSR-Gewässerschutz

Grafik: © VSR-Gewässerschutz


Weitere Informationen über das Projekt "Nitratbelastung unserer Gewässer" finden Sie unter
http://www.vsr-gewaesserschutz.de/2.html

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Quelle:
Pressemitteilung vom 01.12.2015
VSR-Gewässerschutz e. V.
Egmondstr. 5, 47608 Geldern
Tel.: 02831/980281, Fax: 02831/976526
E-Mail: VSR-Information@VSR-Gewässerschutz.de
Internet: www.VSR-Gewässerschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2015

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