Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → WASSER

RECHT/047: Die Wasserkraft im novellierten Erneuerbaren Energiengesetz (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 974 vom 14. Juli 2011 30. Jahrgang

Die Wasserkraft im novellierten Erneuerbaren Energiengesetz (EEG)

Nachdem im RUNDBR. 973 die Neufassung des Erneuerbaren Energiengesetzes im Hinblick auf den Anbau von Energiepflanzen erläutert worden ist, widmet sich dieser RUNDBR. schwerpunktmäßig den Auswirkungen der EEG-Novelle auf die Kleinwasserkraftnutzung.


Kleinwasserkraft bleibt umstritten - auch in den Umweltverbänden

In den EEG-Kommentierungen von Umweltverbandsseite wurde deutlich, dass sich bei der Förderung der Kleinwasserkraft auch die organisierten Umweltschützer nicht unbedingt grün sind. Einerseits wurde darauf verwiesen, dass die zahlreichen Klein(st)wasserkraftanlagen unter 100 Kilowatt Leistung nicht ein Mal ein halbes Promille zur deutschen Stromproduktion beitragen würden. Von dem vielfach behaupteten Beitrag zur Grundlastbereitstellung könne angesichts dieser geringen Leistung keine Rede sein. Entsprechend einem alten Vorschlag des Umweltbundesamtes wurde deshalb gefordert, die EEG-Förderung für Kleinwasserkraftanlagen von weniger als 100 kW Leistung komplett zu streichen. Die durch Kleinwasserkaftanlagen angerichteten ökologischen Schäden an Bachläufen seien überproportional hoch. Zudem erwirtschaften diese Kleinwasserkraftanlagen einen so geringen Ertrag, dass "wesentliche ökologische Verbesserungen" beim Anlagenbetrieb (beispielsweise durch den Bau von Fischaufstiegsanlagen) durch die Betreiber der Anlagen gar nicht finanzierbar seien. Weitergehend wurde gefordert, die eh größtenteils unwirtschaftlichen Kleinwasserkraftanlagen spätestens am Ende ihres Konzessionszeitraumes abzureißen und durch raue Rampen zu ersetzen. Andererseits waren die Wasserkraftfreunde in den Umweltverbänden nicht bereit, diesen radikalen Schritt mitzutragen. Sie sympathisieren eher mit den Betreibern von Kleinwasserkraftanlagen, die bei der EEG-Förderung von Kleinwasserwerken mindestens einen Inflationsausgleich forderten, um mit ihren Anlagen nicht völlig unter jede Wirtschaftlichkeitsschwelle zu rutschen. Der "Energieflügel" in den Umweltverbänden plädiert auch dafür, dem weiteren Zubau von Kleinwasserkraftanlagen möglichst wenige Hemmschuhe in den Weg zu legen. Strittig blieb, ob der Neubau von Kleinwasserkraftanlagen nur an vorhandenen Querbauwerken in Gewerbekanälen und ähnlichen "künstlichen Gewässern" vonstatten gehen dürfe - oder ob auch Querbauwerke an ohnehin verbauten Fließgewässern für den Neubau von Wasserkraftanlagen nutzbar gemacht werden sollen. Wo Flüsse und Bäche eh degradiert seien, komme es auf ein zusätzliches Wasserkraftwerk auch nicht mehr an, so die Wasserkraftfreunde. Dem wurde entgegengehalten, dass die EG-Wasserrahmenrichtlinie gerade wegen der Degradierung der meisten Fließgewässer in der EU das Gebot enthalte, in den Fließgewässern wieder die Durchgängigkeit für Fische und Geschiebe herzustellen. Jedes Wasserkraftwerk mehr führe wegen der Summationswirkung der Anlagen im Gesamtverlauf des Fließgewässers letztlich dazu, dass die Durchgängigkeit zum unerreichbaren Ziel werde (s. RUNDBR. 946/1, 941/2-3). Diesbezüglich argumentieren die Freunde der Kleinwasserkraft mit dem Argument, dass der Staat auch nicht annähernd das Geld habe, die Vielzahl der bestehenden Querbauwerke abzureißen und durch raue Rampen zu ersetzen. Wenn private Investoren an bestehenden Querbauwerken Kleinwasserkraftanlagen mit Fischpass errichten (und dies per EEG massiv finanziell fördern lassen) sei die damit erreichte Teildurchgängigkeit immer noch besser, als sich mit den real existierenden Querbauwerken - ohne jeglichen Fischaufstieg - mangels Geld in den öffentlichen Kassen auf Dauer abzufinden.


EEG-Novelle: BUND lehnt Neubau von Wasserkraftanlagen kategorisch ab

"Der BUND lehnt grundsätzlich einen Neubau, also auch eine Förderung von neuen Wasserkraftanlagen ab. Dies gilt explizit auch für vorhandene Querbauwerke, die bisher keine Wasserkraftnutzung hatten", heißt es im Forderungskatalog des BUND zur Novelle des EEG. In seiner Stellungnahme (siehe Kasten) fordert der BUND des Weiteren, das "länderspezifisch eine ökologische Priorisierung von Fließgewässern und Fließgewässerabschnitten" durchgeführt werden soll. In den ökologisch priorisierten Flüssen und Bächen müssen nach Ansicht des BUND "vorhandene Wanderhindernisse beseitigt und z.B. durch raue Rampen und Sohlgleiten ersetzt werden". Die Beseitigungspflicht müsse "auch für Wasserkraftanlagen gelten, die spätestens am Ende ihrer Konzessionsdauer rückzubauen" seien. "Eine Reaktivierung von Wasserkraftanlagen darf in diesen Vorranggebieten nicht mehr erfolgen", postuliert die Umwelt- und Naturschutzorganisation. Stattdessen sollten in Nicht-Vorrang-Gewässern die dort bereits bestehenden Wasserkraftanlagen ökologisch optimiert und in ihrem energetischen Wirkungsgrad verbessert werden. Ferner fordert der BUND, dass Wasserkraftanlagen mit einer Ausbauleistung von mehr als 20 Megawatt nicht mehr länger über das EEG gefördert werden dürfen.

Begründung des BUND: "Diese Anlagen werfen ausreichend Gewinne ab. Eine Modernisierung dieser zumeist abgeschriebenen Anlagen liegt im wirtschaftlichen Interesse des Betreibers, zur Schaffung von Durchgängigkeit ist der Betreiber nach WHG verpflichtet und kann sich entsprechende Rücklagen schaffen."


Die Positionierung des BUND zur Wasserkraft

Wie kein anderer Umweltverband hat der BUND seine Sichtweise zur Wasserkraftgewinnung dargelegt. Die Grundsatz-Positionierung des BUND findet sich im Internet unter www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/enegie/20091200_energie_wasserkraft_ position.pdf

Die Stellungnahme des BUND vom 28.06.11 zur EEG-Novelle (u.a. mit Stellungnahmen zu den Förderkriterien für Wasserkraft, Biogasverstromung, Windkraft und Photovoltaik) kann angefordert werden bei

Thorben Becker
BUND-Teamleiter Klimaschutz
Am Köllnischen Park 1
10179 Berlin
Tel.: 030 27586421
E-Mail: thorben.becker[at]bund.net


Die Neuregelungen für die Wasserkraft im EEG

Die Novelle zum Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) ist von der Koalitionsmehrheit im Bundestag verabschiedet und am 30. Juni 2011 im Bundesrat abgesegnet worden. Trotz großer Bauchschmerzen hat der Bundesrat verzichtet, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die EEG-Novelle hat auch für die Vergütung für den Wasserkraftstrom einige Neuerungen gebracht: Die leistungsabhängige Vergütung für Wasserkraftstrom wurde für die kleineren Anlagen bis 5 MW im Wesentlichen gleich gehalten. Ab 5 MW wurde eine stärkere Differenzierung als bislang vorgenommen. Grundprinzip: Je kleiner die Leistung, desto höher die Vergütung pro Kilowattstunde. Die im Kasten stehenden Vergütungssätze für NEUANLAGEN werden für eine Laufzeit von 20 Jahre zugesichert.

Was die Stromverbraucher für Wasserkraftstrom zu berappen haben, steht in õ 23 Wasserkraft des EEG:
"(1) Für Strom aus Wasserkraft beträgt die Vergütung
1. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 500 Kilowatt 12,7 Cent pro Kilowattstunde,
2. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 2 Megawatt 8,3 Cent pro Kilowattstunde,
3. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 5 Megawatt 6,3 Cent pro Kilowattstunde,
4. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 10 Megawatt 5,5 Cent pro Kilowattstunde,
5. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 20 Megawatt 5,3 Cent pro Kilowattstunde,
6. bis einschließlich einer Bemessungsleistung von 50 Megawatt 4,2 Cent pro Kilowattstunde und
7. ab einer Bemessungsleistung von 50 Megawatt 3,4 Cent pro Kilowattstunde."

Zum Vergleich: An der Strombörse in Leipzig wird die Kilowattstunde zu 4 bis 5 Cent gehandelt.


Erhöhte Vergütungssätze auch für alte Wasserkraftanlagen

Die in Abs. 1 von õ 23 EEG genannten Vergütungssätze muss der Netzbetreiber an den Betreiber einer Wasserkraftanlage auch für eine Altanlage überweisen, und zwar dann, wenn nach Abs. 2, Ziffer 1 die installierte Leistung oder das Leistungsvermögen der Altanlage erhöht wird (technische Anlagen-Modernisierung). Ferner werden diese Vergütungssätze für Altanlagen dann gewährt, wenn "die Anlage mit einer technischen Einrichtung zur ferngesteuerten Reduzierung der Einspeiseleistung (...) erstmals nachgerüstet wurde" (Abs. 2, Ziffer 2). Damit kann der Netzbetreiber die Wasserkraftanlage herunterdrosseln, falls zu viel "Überschussstrom" die Netzstabilität gefährdet.


EEG: Wasserkraft darf "guten ökologischen Zustand" nicht gefährden

Wichtig ist, dass nach Abs. 4 der Anspruch auf die oben genannten Vergütungssätze für Neuanlagen nur dann besteht, wenn die Wasserkraftnutzung den Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie entspricht. Das EEG verweist diesbezüglich auf die Paragrafen 33 bis 35 und 6 Absatz 1, Nummer 1 und Nummer 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (siehe Kasten). Die Auflistung im bisherigen EEG, was unter einer "wesentlichen ökologische Verbesserung" zu verstehen ist, wurde gestrichen. Als Nachweis, dass eine neue Wasserkraftanlage nicht dem "guten ökologischen Zustand" im Wege steht, gilt die behördliche Zulassung der Wasserkraftnutzung. Ferner wird in Abs. 4 bestimmt, dass die Einhaltung dieser ökologischen Anforderungen
"1. durch eine Bescheinigung der zuständigen Wasserbehörde oder
2. durch ein Gutachten einer Umweltgutachterin oder eines Umweltgutachters mit einer Zulassung für den Bereich Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft, (...)"
gegenüber dem Netzbetreiber nachgewiesen werden kann.


EEG: Wasserkraft muss die Gewässerökologie berücksichtigen

Der Verweis auf õ 6 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in der Novelle zum Erneuerbaren Energiengesetz unterwirft die Wasserkraftnutzung dem ökologischen Grundsatzparagrafen des WHG:
"õ 6 Allgemeine Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung
(1) Die Gewässer sind nachhaltig zu bewirtschaften, insbesondere mit dem Ziel,
1. ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern, insbesondere durch Schutz vor nachteiligen Veränderungen von Gewässereigenschaften,
2. Beeinträchtigungen auch im Hinblick auf den Wasserhaushalt der direkt von den Gewässern abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete zu vermeiden und unvermeidbare, nicht nur geringfügige Beeinträchtigungen so weit wie möglich auszugleichen, (...)"


EEG: Gutachten können von der Behörde kontrolliert werden

Neu ist, dass das Gutachten eines Umweltgutachters "der Bestätigung durch die zuständige Wasserbehörde bedarf". Falls sich die Untere Wasserbehörde "innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage des Gutachtens nicht (äußert), gilt die Bestätigung als erteilt". Die Bestätigung, dass das Gutachten ok ist, "darf nur versagt werden, wenn die Behörde erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens hat". Dass die Expertisen der Umweltgutachter zur Kenntnisnahme künftig der Wasserbehörde vorgelegt werden müssen, ist eine Reaktion darauf, dass einige Umweltgutachter offenbar Gefälligkeitsgutachten zu Gunsten der Betreiber von Wasserkraftanlagen abgeliefert haben (siehe Kasten). Wenn der Behörde ein Gutachten spanisch vorkommt, kann sie das Gutachten künftig canceln.


EEG: Schindluder bei Wasserkraft-Gutachten?

Die Vergütungssätze nach dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) müssen vom Netzbetreiber an die Betreiber von Wasserkraftanlagen überwiesen werden. Erhöhte Vergütungssätze gab es nach dem bisherigen EEG dann, wenn der Betreiber mittels eines Gutachtens nachweisen konnte, dass er in eine "wesentliche ökologische Verbesserung" investiert hatte - beispielsweise in den Bau eines Fischpasses. Berechtigt zur Erstellung solcher "Öko-Gutachten" sind Umweltgutachter und UmweltgutachterInnen. Manchen UmweltgutachterInnen trauen die Netzbetreiber inzwischen aber nicht mehr über den Weg. In Einzelfällen sollen die Gutachten von derart mieser Qualität gewesen sein, dass die Auseinandersetzungen vor Gerichten gelandet sind. Die EEG-Clearingstelle hatte angesichts des um sich greifenden Misstrauens gegenüber UmweltgutachterInnen für den 13. Mai 2011 nach Berlin eingeladen, um im Rahmen eines Seminars ausführlich über diesen Umweltgutachter-Knatsch zu diskutieren. AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS können kostenlos einen ausführlichen Tagungsbericht über diese Veranstaltung via nik[at]akwasser.de anfordern.


EEG: Neue Wasserkraftanlagen nur an bestehenden Querverbauungen

Absatz 5 von õ 23 EEG schreibt vor, dass der Anspruch auf eine EEG-Vergütung für eine Wasserkraftanlage nur dann besteht, "wenn die Anlage
1. im räumlichen Zusammenhang mit einer ganz oder teilweise bereits bestehenden oder vorrangig zu anderen Zwecken als der Erzeugung von Strom aus Wasserkraft neu zu errichtenden Staustufe oder Wehranlage oder
2. ohne durchgehende Querverbauung errichtet worden ist."

Das bedeutet, dass sich der Neubau von Wehranlagen für den Betrieb von Wasserkraftanlagen wirtschaftlich nicht lohnt, weil hierfür die erhöhte EEG-Vergütung nicht gewährt wird. Wie bislang auch schon, wird damit der Bau von Wasserkraftanlagen auf bestehende Wehranlagen ("Querverbauungen") beschränkt. (Im Übrigen verunmöglicht in der Regel auch das Verschlechterungsverbot in der EG-Wasserrahmenrichtlinie den Bau neuer Querbauwerke an Fließgewässern.)


*


Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 974/2011
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]@akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2011